Mediterranean Hope. Das Haus der Kulturen an der Grenze seiner Aufnahmefähigkeit

NEV – Ein besonderes Projekt für die unbegleiteten Minderjährigen. Ein stetig anwachsendes Phänomen.
Scicli (NEV), 7.Januar 2015 – „Zuerst bin ich in die Türkei geflüchtet. Dann wollte ich nach Griechenland, aber sie haben mich zurückgeschickt. Am Ende habe ich mich mit ungefähr 250 Personen, vor allem Frauen und Kindern, Richtung Sizilien eingeschifft. Aber der Motor hatte eine Panne und wir waren vier Tage und Nächte auf See, ohne Trinkwasser und Essen, bis wir endlich gerettet wurden. Aber meine Reise ist nichts ist nichts im Vergleich zu dem, was ich in Syrien gesehen und erlebt habe.“ Mustafa ist 14 Jahre alt, und er ist einer der 38 Bewohner, die aktuell im Haus der Kulturen von Scicli von den Mitarbeitern des Projektes Mediterranean Hope aufgenommen wurden.
Das Projekt wird unterstützt von der Vereinigung der Evangelischen Kirchen in Italien (FCEI) mit den Mitteln der „8 per mille“* der Methodistischen Kirche und der Waldenserkirche. Mustafa wurde von der Präfektur Ragusas erst der Gemeinde von Pozzallo anvertraut und dann in die Einrichtung gebracht, die seit wenigen Wochen ihre Türen geöffnet hat. Mustafa stammt ursprünglich aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Aleppo und gilt, wie die anderen Bewohner des Hauses der Kulturen auch, als „besonders schutzbedürftige Person“. Alle Jugendlichen, weibliche wie männliche, die im Haus der Kulturen, das von der örtlichen Methodistengemeinde geführt wird, Aufnahme und Schutz gefunden haben, haben traumatische Erfahrungen gemacht.

Amin, ein 15-jähriger Jugendlicher aus Somalia, hat, bevor er sich in Libyen auf einem alten Kahn eingeschifft hat, alleine Äthiopien und den Sudan durchquert. Eine Reise, die drei Monate gedauert und tausende Dollars gekostet hat. Unter den Gästen befindet sich auch Yolanda, eine junge Mutter, die aus der Elfenbeinküste geflohen ist und die vor wenigen Wochen im Krankenhaus von Modica die kleine Ester Sara geboren hat. Wie die anderen ist auch sie übers Meer angekommen, auf einem Schiff, das der Gewalt der Wellen überlassen wurde. Wie die anderen hat auch sie noch die Bilder von Gewalt und Übergriffen vor Augen. „Wir stehen in fast täglichem Kontakt mit der Präfektur von Ragusa und der Gemeinde von Pozzallo. Gerade heute sind zwanzig unbegleitete Minderjährige angekommen, hauptsächlich Somalis“, erklärt Giovanna Scifo vom Haus der Kulturen. „Wir werden sie aufnehmen und sie im Integrationsprozess begleiten, indem wir sie in die Schule schicken und mit ihnen ein nachhaltiges Migrationsprojekt aufbauen. Das Projekt Mediterranean Hope beinhaltet eine spezielle Abteilung (Büro), die zwischen Scicli und Rom auf dieses bestimmte Ziel hinarbeitet. Aber die Aufgabe des Hauses der Kulturen“, fährt Scifo fort, „ist nicht alleine auf die Aufnahme ausgerichtet, sondern hat sich auch vorgenommen, ein offener Ort der Integration und des Austausches zu sein. Am 31. Dezember zum Beispiel, haben wir ein großes „Silvesterfest der Völker“ organisiert. Über 100 Leute haben daran teilgenommen, unter ihnen viele Jugendliche aus Scicli. Ich möchte auch daran erinnern, dass unsere jugendlichen Gäste anlässlich der Feiertage von Familien aus Scicli zu einem Mittag- oder Abendessen empfangen worden sind. Sie wollten ein Zeichen der Gastfreundschaft und des Dialoges setzen. Dies alles ermutigt uns und drängt uns, diesen Weg weiter zu verfolgen.“ Fürs erste lernt Mustafa Italienisch. Er geht in Scicli zur Schule. Aber in Wirklichkeit, gesteht uns der Junge, will er nur ein paar Tage in Italien bleiben. „Mein Ziel ist Schweden, wo ich einen Onkel habe.“ Sein Traum? „Doktor werden in Schweden.“
Das Phänomen der unbegleiteten minderjährigen Migranten wächst rasant. Trotz der Schwierigkeit sie zu zählen, schätzt man sie in ganz Italien auf mehr als 10.000.
Zu dem Projekt Mediterranean Hope gehört auch eine Einrichtung zur Beobachtung der Migration im Mittelmeerraum, sie befindet sich auf Lampedusa.

Aus dem Italienischen von Rainer Grüber

* 8 per mille: Einheit der italienischen Kirchenfinanzierung, bedeutet 8 Promille. Die Acht-Promille-Regelung ist ein Anteil, der von der Einkommenssteuer
abgezogen wird, ähnlich wie die Kirchensteuer. Der italienische Staat
verteilt diesen Anteil, gemäß der angegebenen Auswahl in der
Steuererklärung, zwischen dem Staat selber, der katholischen Kirche und
weiteren Religionsgemeinschaften. http://it.wikipedia.org/wiki/Otto_per_mille