Eine Woche der Proteste in der Provinz Caltanissetta

Für einige Zentren in der Provinz
Caltanissetta war das eine intensive Woche. Vergangenen 13. Januar
haben circa 50 Gäste des CAS*, das innerhalb des Altenheims Ipab
Pagano eingerichtet wurde und in dem zurzeit ungefähr 150
Asylsuchende leben, gegen die unerträglich langen Wartezeiten zur
Vorladung vor die regionale Asylkommission für die Anerkennung auf
internationalen Schutz protestiert. Um ihren Protest deutlich zu machen und
eine Antwort zu bekommen haben sie ihre Matratzen außerhalb des
Zentrums niedergelegt und sind in den Hungerstreik getreten. Es handelt sich um Asylsuchende aus
Pakistan, die im vergangenen März in die besagte Einrichtung
gekommen sind und die seitdem auf die Vorladung zur Anhörung durch
die Kommission warten.

Einen Tag nach Beginn des Protestes ist
der Bürgermeister von San Cataldo zusammen mit einer Delegation der
protestierenden Gruppe in der Präfektur von Caltanissetta vorstellig
geworden, um eine Antwort zu beschleunigen.

Die Delegation hat auf diese Weise ein
Treffen mit dem Präsidenten der Kommission (stellvertretender
Vize-Präfekt der Präfektur von Caltanissetta) erreichen können. Er
hat ihnen versichert, dass die Kommission in den nächsten Tagen
zusammenkommt, um ihre Unterlagen zu prüfen.

http://www.ilfattonisseno.it/2015/01/san-cataldo-conclusa-la-protesta-degli-ospiti-dellipab-a-giorni-e-previsto-che-si-riunira-la-commissione-territoriale/

Wir erinnern in diesem Zusammenhang
daran, dass es bereits feste Praxis der Regionalkommission von
Caltanissetta ist, innerhalb von zwei Wochen vor der Vorladung die
Vorlage der Dokumentation zu verlangen. Auch die Betreiber einiger
CAS haben uns erzählt, dass ihre Zusammenarbeit in diesem Sinne
verlangt wurde.

http://www.siciliamigranti.blogspot.it/2014/12/caltanissetta-visita-ad-uno-dei-cas-di.html

Es ist daher wahrscheinlich, dass man
mit „die ganze Dokumentation prüfen“ tatsächlich die Prüfung
der beweiskräftigen Dokumentation meint, die zuvor der Kommission
zugestellt wurde.

Diese zweifelhafte und nicht vom Gesetz
vorgesehene Praxis hat zum Ziel, die Zeit der Anhörungen bzw. ganz
allgemein die Wartezeit bis zur Anhörung zu verkürzen. Trotzdem
tragen wir weiterhin Geschichten von Asylsuchenden zusammen, deren
Anhörung bis zu 8 Stunden dauerten, um dann noch einmal für weitere
3-4 Stunden vorgeladen zu werden.

Am Tag des Protestes von San Cataldo
ist auch in der Stadt ein neuer Protest entflammt. Einige
Asylbewerber, Gäste des Zentrums, haben ihre Verbitterung über die
langen Zeiten, die die Asylkommission braucht, zum Ausdruck gebracht
und die Provinzstraße vor dem Aufnahmezentrum blockiert.

http://www.lagazzettanissena.it/pian-del-lago-protesta-di-ospiti-cittadini-del-gambia/

Im Dezember hingegen protestierten die
Gäste des im Zentrum gelegenen CAS‘, in dem ca. 60 Asylbewerber
untergebracht sind.

http://www.ilfattonisseno.it/2014/12/caltanissetta-via-niscemi-nigeriani-che-protestano-bloccando-il-traffico/

In der Provinz gibt es einen weiteren
Grund zur Klage: Einige Asylbewerber sind der Meinung, dass für die
Vorladungen nicht die Reihenfolge der Protokollnummern der
Asylanträge berücksichtigt würde. Sie behaupten, dass die Gäste,
die in bestimmten Zentren der Provinz (und von denen sie direkte
Kenntnis haben) untergebracht sind, ihre Vorladung mit einer gewissen
Priorität im Vergleich zu denen, die in anderen Zentren leben,
bekämen. Die Protokoll-Nummer des Asylantrags ist der einzige
objektive Anhaltspunkt zur Bestätigung ihrer Behauptung, aber das
Interview bleibt weiterhin abhängig von der Verfügbarkeit der
Dolmetscher. Dieser Umstand kann manchmal die Reihenfolge der Liste
verändern.

Das lange Warten auf die Anhörung, das
bei einigen Kommissionen 14 Monate überschreitet, stellt eines der
Hauptprobleme des Asylsystems in Italien dar. Es handelt sich um eine
Zeit im Schwebezustand, in der viele der Asylsuchende dazu verdammt
sind, in der Passivität zu leben. Und weil in den
Erstaufnahmezentren kein Hilfsmittel für die Zukunftsgestaltung
angeboten wird, wird den Menschen die Persönlichkeit genommen und
die menschliche Würde verletzt.

In diesem Zusammenhang muss man von der
tragischen Situation tausender Asylsuchender sprechen, denen es nach
so vielen Monaten in den verschiedenen überall verstreuten und weit
abgelegenen CAS gelingt, in eines der SPRAR**-Projekte von
eingegliedert zu werden, sie zahlen einen hohen Preis für die
Organisation des Aufnahmesystems; tatsächlich wird fast immer von
einer Provinz in die andere, oft von Nord nach Süd und umgekehrt
verlegt. Nicht selten wechselt mit der Provinz auch die Zuständigkeit
der regionalen Asylkommission. Die vielen Monate des Wartens in einem
CAS zählen dann nicht mehr, die Zeit wird auf Null zurückgestellt
und alles beginnt von vorne.

Giovanna Vaccaro

Borderline Sicilia

Aus dem Italienischen von Rainer Grüber

*CAS – Centro di accoglienza
straordinaria, außerordentliches Aufnahmezentrum

**SPRAR – Sistema di protezione per
rifugiati e richiedenti asilo: Schutzsystem für Asylsuchende und
Flüchtlinge, kommunales Aufnahmesystem auf freiwilliger Basis (keine
staatliche Verpflichtung), ca. 3000 – 3500 Plätze in ganz Italien.
Soll zur Integration der Flüchtlinge dienen.