Ein Hotspot in Messina statt in Augusta – Was einen Hotspot ausmacht und worin die Unterschiede zu anderen Aufnahmezentren liegen

Quelle: Tempostretto
Bereits seit drei Jahren ist die Stadt Messina in Sizilien voll und ganz mit der Routine des unendlichen Ausnahmezustands der Aufnahme von Migrant*innen befasst. Es kommen täglich Menschen auf den innerstädtischen Molen an. Die ehemalige Kaserne von Bisconte wurde wieder in Betrieb genommen. Außerdem werden die Ankommenden in der Zeltstadt Pala Nebiolo empfangen, je nach Jahreszeit im Staub oder im Schlamm. Die unbegleiteten Minderjährigen kommen im Zentrum Ahmed unter. Das macht insgesamt drei Aufnahmelager innerhalb der Stadt, wovon zwei auf ministerialer Ebene eingerichtet wurden, das dritte im Auftrag der Stadt Messina.
Aus Rom kam nun eine Neuigkeit, welche Messina zum Schauplatz jüngster Entwicklungen der europäischen Migrationspolitik machen könnte: Die Einrichtung eines Erstaufnahmelagers, eines sog. Hotspots. So verkündete es jedenfalls ein Artikel von Vladimir Polchi in der Tageszeitung „La Repubblica“. Dort wurde berichtet, dass das italienische Innenministerium entschieden habe, den ursprünglich schon seit Ende 2015 in Augusta geplanten Hotspot nach Messina zu verlegen. Die Realisierung des Projekts wurde jedoch von der Verwaltung von Syrakus gestoppt, aufgrund angeblicher Unstimmigkeiten in der Auftragsvergabe.
Was wären die Auswirkungen der Öffnung des Hotspots in Messina? Wer glaubt, dies sei lediglich eine von vielen Bezeichnungen für ministeriale Zentren zur Aufnahme von Geflüchteten, die auf europäischem Boden ankommen, der irrt sich. Das Schaffen eines Hotspots hat vielmehr zur Folge, dass strikte Vorgaben umgesetzt werden, wie sie ein Dokument der Europäischen Union fordert. Zunächst einmal bedeutet ein Hotspot die vollständige Militarisierung des Hafens und der ausgewählten Aufnahmezentren durch Vertreter*innen verschiedener europäischer Agenturen. Der Bereich um den Hotspot herum, bis hin zur unmittelbaren Grenze des Bereichs der Anlegestelle, wird zum sog. „ausgestatteten Gebiet“ erklärt.
In diesem Zusammenhang sei nochmal an die Vorschläge des runden Tisches der Region vom 21. Januar 2015 erinnert. Der örtliche Katastrophenschutz und die zuständigen Ordnungsbehörden des Landes forderten, dass als geeignete Stelle für das Anlegen der Boote die Magazzini Generali erkoren werden. Die Polizeikräfte waren aufgrund von Sicherheitsbedenken dagegen.
Das einschlägige Dokument der Europäischen Kommission vom Mai 2015 bietet eine „neue Lösung zur Unterstützung der Staaten, die das Problem des ungebremsten Migrationsdrucks an den Außengrenzen der EU in erster Linie angehen“. Es trägt den Titel: „Hotspots – Konzept zur Steuerung außergewöhnlicher Migrationsströme“. Das Dokument bezeichnet Italien und Griechenland als Länder, die in erster Linie betroffen sind.
Ein auffälliger Unterschied zu anderen Aufnahmekonzepten ist, dass unmittelbar auch weitere Agenturen der europäischen Union beteiligt werden, wie etwa EASO (Unterstützungsbüro für Asylfragen), oder Europol (Europäisches Polizeiamt), Frontex (Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der EU), sowie Eurojust (Einheit für justizielle Zusammenarbeit in der EU). Die Beamt*innen dieser Agenturen werden für erkennungsdienstliche Maßnahmen sowie für die Registrierung entsandt, wozu auch gehört, Fingerabdrücke zu erfassen. Anschließend sind die Beamt*innen für die Prüfung des Aufenthaltsrechts der Asylsuchenden (debriefing) zuständig, sowie infolgedessen gegebenenfalls die Ausweisung.
Seit April 2015 befindet sich der italienischen Hauptsitz von Frontex auf Sizilien, in Catania. Von dort aus werden die vier Häfen Pozzallo, Porto Empedocle, Trapani und Lampedusa koordiniert, die in einem ersten Entwurf von der Europäischen Kommission als Hotspots erklärt wurden. Folgendermaßen stellen sich die offizielle Argumentation für die Ermittlung der Zentren dar: „Dort ist die erste Aufnahme, die Identifizierung und die digitale Erfassung von Fingerabdrücken von bis zu 1.500 Menschen möglich.“
Relocation heißt die Losung, die das Projekt „Hotspot“ antreibt. Im Anschluss an die Erfassungsmaßnahmen sieht die EU vor, dass „die temporären Umverteilungs-Mechanismen“ umgesetzt werden, um „Menschen, die eindeutig Anspruch auf internationalen Schutz haben, in den Mitgliedsstaaten, in denen sie ankommen, zu identifizieren und in andere EU-Mitgliedsstaaten zu versetzen, wo ihr Asylantrag bearbeitet wird“. Hier liegt jedoch genau der Trugschluss in diesem System: Es ist genau diese Politik der Umverteilung auf der Basis von sich stets ändernder und nie genau definierter Quoten. Mit dieser Politik scheitern die Grenzländer Italien und Griechenland als Bittsteller gegenüber den anderen Mitgliedstaaten. „Die Relocation aus den sizilianischen Zentren ist gänzlich gescheitert“, erklärt der Jurist Vassallo Paleologo in dem Bericht der Organisation „LasciateCIEntrare“ (wörtlich, lasst uns hinein), der am 25. Februar 2016 vorgestellt wurde. „Trotz den Anträgen mehrerer Tausend Asylsuchenden konnten tatsächlich nur 200 auf andere Mitgliedstaaten der EU umverteilt werden. Und das, obwohl sie zweifelsfrei unter die Kategorie „in a clear need of protection“ fielen.“
Das ist nur eines von vielen Problemen, von denen die Monitoring-Organisationen, lokale Verbände und die Zivilgesellschaft berichten, die mit der Einrichtung des ersten Hotspots auf Lampedusa einhergingen. Es gehen zahlreiche Meldungen von betroffenen Migrant*innen darüber ein, dass sie unter Zwang ihre Fingerabdrücke abgeben sollen, oder sogar damit erpresst werden, dass sie andernfalls länger festgehalten würden. Diejenigen, die sich vollständig der Identitätsaufnahme verweigern, erfahren eine „zeitversetzte Zurückweisung“: Sie werden im wörtlichen Sinne auf die Straße gesetzt, ohne jegliche Hilfe, mit der Angabe, dass sie 7 Tage hätten, das Land zu verlassen, obwohl sie natürlich nicht die Mittel dazu haben.
Es ist nicht das erste Mal, dass Messina in die Fänge politischer Bestrebungen gerät, um Migrationsangelegenheiten zu lösen. Bereits im Jahr 2013 sollte die Stadt an der Schaffung dreier großer Hub-Zentren beteiligt werden. Dieses Projekt wurde später aufgegeben. Die Kaserne Bisconte sollte nach den anfänglichen Plänen des italienischen Innenministeriums als Hub für 600 Menschen herhalten.

Eleonora Corace

Übersetzung aus dem Italienischen von Alma Maggiore