Weitere 17 Tote und Tausende von Migranten erreichen die sizilianische Küste: Was erwartet sie?

Ankünfte in Pozzallo und Palermo

In den letzten Tagen sind 4.550 Migranten gerettet worden, aber 17 haben es nicht geschafft. Sie haben ihr Leben gelassen, vermutlich sind sie erstickt auf den Booten, die sie zu einem sicheren Ort bringen sollten und auf denen sie stattdessen den Tod gefunden haben, angetrieben von Mut und noch mehr von Angst. Die Leichen haben am Morgen des 31. Mai den Hafen von Augusta erreicht, an jenem Wochenende an dem 3.670 Flüchtlinge alleine auf Sizilien – in den Häfen von Palermo, Trapani, Porto Empedocle, Pozzallo, Augusta und Catania – angekommen (Von Freitag an sind insgesamt 4.550 Migranten gelandet, davon 3.600 alleine auf Sizilien).

Am Abend des 30. Mai sind 992 Migranten in Pozzallo gelandet; Sie waren am Bord des Schiffes Spica, das ursprünglich den Hafen Catania hätte erreichen sollen. Die Landung fand erst gegen Abend statt, obwohl sie schon für die Morgenstunden angekündigt worden war. Sie wurde aber immer wieder nach hinten geschoben, während die sogenannte Empfangsmaschinerie im vollem Gange war. Am Pier konnte man das bevorstehende „Event“ spüren, sowohl aufgrund der großen Anzahl der erwarteten Ankommenden, als auch wegen der „wichtigen Entscheidungen“, die die Europäische Kommission getroffen hatte und die noch von dem Europäischen Parlament geprüft werden müssen. Im Einzelnen geht es um die Verlegung der syrischen und eritreischen Migranten und um die wichtiger werdende Rolle, die Frontex in den Untersuchungs- und Identifizierungsverfahren spielen wird. Neben den vielen Polizeikräften und Frontex-Mitarbeitern waren auch der Bürgermeister der Stadt, Herr Luigi Ammatuna, und der Präfekt Vardè anwesend. Die Organisationen, die das Projekt Praesidium unterstützen ( OIM, UNHCR, Save the Children), MsF (Ärzte ohne Grenze A.d.Ü.), dessen Team durch mehrere Sprach- und Kulturmediatoren gestärkt worden ist, das Rote Kreuz und der Zivilschutz waren auch durch mehrere Mitarbeiter vertreten. Diese geballte Ansammlung Fachkräften ist aber leider nicht optimal genutzt worden. Aus hygienischen Gründen wurde, sofort nachdem die Migranten ans Land gegangen waren, eine Absperrung errichtet, in der die Migranten von Ärzten der URP betreut und danach von der Polizei fotografiert wurden, bevor sie in die wartende Busse einsteigen mussten. Die Ärzte von MsF konnten nur ganz schnell ein Blick auf die Migranten werfen und die Mitarbeiter von Praesidium und die Mediatoren versuchten ein paar Worte mit den Ankommenden zu wechseln, da sie sonst nichts tun konnten. Einmal angekommen war die Mehrheit der Migranten an dieser Weiterfahrt interessiert. Nur 200 von ihnen blieben im *CPSA.

Nachdem sie fast den ganzen Tag wartend in der Bucht verbracht hatten, wurden die Migranten in Gruppen zu 300 zur Mole gebracht. Auch diese Operation dauerte lange, da das Schleppboot mehrere Male hin und her fahren musste und das Umsteigen der Gruppen auch Zeit in Anspruch nahm. Unter den Migranten, die meisten aus Eritrea und Syrien, waren viele Jugendliche und Familien. Inzwischen ist es dunkel geworden und windig und die Temperatur fällt, wem aber kalt ist, bekommt nur Plastikplanen, um sich zu schützen und steigt dann schnell in den Bus. Es ist nicht Mal Zeit da, um die Migranten mit Abendessen zu versorgen, weil es „für Alles zu spät geworden ist“, hören wir jemand sagen. Es werden Fotos gemacht, Telefonate geführt, Anordnungen gerufen und das alles geschieht in einer aufgeregten Art, die im starken Kontrast steht zu dem Schweigen und der Unbeweglichkeit der Migranten, die noch immer warten müssen, obwohl sie komplett erschöpft sind und gar nicht wissen, was auf sie in Kürze zukommen wird. Wenn man sie anschaut, stellt sich automatisch die Frage, was dieses hektisches Aufnahmesystem für sie bereit hält, da viele von ihnen nach Mineo müssen, wo sie sich zu den weiteren 4.000 Migranten gesellen werden, die dort schon seit Jahren auf Ihre Papiere warten. Es müsste alles dafür getan werden, dass sie nicht nur weitere „Nummer“ werden, die Monate wartend verbringen, sondern dass sie die Würde bekommen, die das Gesetz jedem Menschen zugesteht und garantiert.

Lucia Borghi
Borderline Sicilia Onlus

410 Migranten sind in Palermo angekommen

Am Samstag, den 30. Mai sind 410 Migranten an Bord des irischen Schiffes „Le Eithne“ in Palermo angekommen. Das Schiff legte um ca 12:00 Uhr an und um 13:30 Uhr waren alle Migranten schon vom Bord gegangen. Sie waren seit zwei Tagen unterwegs, aus Libyen kommend als sie gerettet wurden und befanden sich in guter Verfassung.
Sie stammen aus Syrien, Mali und Nigeria, aber auch aus vielen anderen Ländern Subsahara-Afrikas unter anderen aus Eritrea. Nur wenige eritreische Migranten mussten in Krankenhäusern medizinisch versorgt werden, weil sie an Diabetes litten. Diesmal waren nur vier unbegleitete minderjährige Flüchtlinge dabei und auf sie haben Mitarbeiter der regionalen Sanitätsbehörde, des Zivilschutzes und der Caritas gewartet.

97 Personen, die meisten von ihnen aus Syrien stammend, wurden mit Bussen zu Centro Giacalone nach Palermo gebracht, das von der Caritas Palermo geführt wird, andere wurden nach Partinico und die restlichen wiederum nach Monreale, Messina und Ancona gebracht.

In April hat die deutsche Regierung beschlossen, zwei Schiffe der Militärmarine zu entsenden, die die Rettungsmaßnahmen im Mittelmeer unterstützen sollen. Die zwei Schiffe, zur Zeit „Hessen“ und „Berlin“, die dann von anderen Schiffen ersetzt werden, sind nicht der Operation Frontex unterstellt. Entgegen den ersten Informationen scheint hingegen das englische Militärschiff „Bulwark“, das seit Mai in den Gewässern zwischen Libyen und Italien an der Rettung von Migranten beteiligt ist, der Mission Triton von Frontex zu unterstehen, wie auch das Militärschiff „Le Eithne“ der irischen Marine, das in der Straße von Sizilien 410 Migranten gerettet hat und sie nach Palermo gebracht hat. Am 29. Mai waren auch die italienische Küstenwache, die belgische Marine, der Zoll und Handelsschiffe an den Rettungen beteiligt. Sie wurden vom Erste Hilfe Zentrum der römischen Hafenbehörde geschickt.

Es ist schön in die Gesichter der wohlbehaltenen Ankömmlingen zu schauen, unter ihnen ist ein gerade ein Jahr alt gewordenes Mädchen. Aber es ist traurig zu wissen, was auf sie jetzt zukommt: eine immer währende Flucht ohne ein richtiges Ankommen in unserem schönen Europa.

Judith Gleitze
Borderline Sicilia, borderline-europe

Aus dem Italienischen übersetzt von Antonella Monteggia

*CPSA: Centro di Soccorso e prima Accoglienza: Zentrum zur Ersten Hilfe und Erstaufnahme


Photos von der Ankunft in Palermo