„Notfallaufnahme“ für die unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten: die Behörden von Ragusa setzen auf neue „Notfallaufnahmeeinrichungen“

Ende Juli hat die Abgeordnetenkammer der Umwandlung folgenden Dekrets in ein Gesetz zugestimmt: für die „außerordentlichen Maßnahmen bei der Aufnahme von unbegleiteten minderjährigen Migrant*innen“ werden dringend benötigte finanzielle Mittel bewilligt. Es sind sogenannte Notfallmaßnahmen, die Ungesetzlichkeiten miteinschließen, wie auch ASGI* in einem seiner Briefe erläutert und die den Weg frei machen, für die Eröffnung von neuen, für Jugendliche ungeeignete CAS*.

Es handelt sich darum, in schwierigen (nicht weiter definierten) Umständen bei so zahlreichen Anlandungen, temporäre Empfangsstrukturen für bis zu 50 unbegleitete Minderjährige zu eröffnen, deren Zweck es lediglich ist, Informationen zu erhalten und Identifikation und Alter der Migrant*innen zu überprüfen.

Natürlich kommt uns gleich der berechtigte Verdacht, dass diese Einrichtungen sich bald in CAS* für Jugendliche verwandeln und das mit folgenden Konsequenzen: es entstehen Einrichtungen für zu zahlreiche Bewohner*innen, es fehlt der Schutz für besonders gefährdete Jugendliche, es wird auf Integration und soziale Inklusionsbemühungen für die Minderjährige verzichtet. Die Folge davon wird sein, dass diese in die Illegalität abgleiten (wie auch erwachsene Asylanwärter*innen), wenn keine für sie geeigneten Strukturen geschaffen werden. Denn es besteht die Gefahr, dass sie die vorgesehene Zeit von 2 Monaten Verweildauer in einem CAS* bei weitem überschreiten und den ganzen Aufenthalt in Italien in einem CAS* verbringen müssen.
Es ist die x-te „Notfallmaßnahme“, die zeigt, dass der Wille zur wirklichen Veränderung der Aufnahmepolitik nicht vorhanden ist – und, dass genauso weitergemacht wird wie bisher, dass weiterhin nationale und internationale Gesetze missachtet werden auf dem Rücken der minderjährigen Geflüchteten.
Die Präfektur von Ragusa hat bereits begonnen neue Maßnahmen für die Notfallaufnahme von Minderjährigen zu ergreifen. Aufgrund der neuen Ausschreibungen findet eine Neuorganisation der bestehenden Zentren statt, der die Eröffnung von neuen Strukturen möglich macht.

Seit dem ersten August ist der Hotspot von Pozzallo in den Händen der Kooperative Domus Caritatis aus Rom. Diese ist mit der noch berüchtigteren Kooperative La Cascina verbunden, die in den Skandal der Mafia Capitale verwickelt ist. Eine Tatsache, die bestätigt, dass in unserem Land auch jemandem, gegen den gerichtlich ermittelt wird, grosse Verantwortung und öffentliche Belohnung zu teil wird. Die Bewältigung des Phänomens der Migration ist mit Geschäft und Korruption verbunden statt mit humanitärer Politik und Rechtsstaatlichkeit.
Unterdessen durchlaufen diesen Hotspot hunderte von Migrant*innen aufgrund der vielen letzten Anlandungen, Migrant*innen, die in manchen Fällen den Tod von Mitreisenden erlebt haben.
Es sind Frauen, Männer, Kinder und unbegleitete Jugendliche, die offenbar weniger lange auf ihren Transfer warten müssen. Das wäre eine gute Nachricht, wenn damit nicht eine illegale Praxis durch eine andere abgelöst würde: Dutzende von Jugendlichen werden von den Hotspots in Strukturen der Provinz transferiert, aufgrund weiterhin unklarer Vorgehensweisen und Bestimmungen, welche geeignete Maßnahmen für Minderjährige vorschreiben.
Es scheint in der Tat, dass einige Betreiber von Zentren für Erwachsene sich bereit erklärt haben, einige der zahlreichen unbegleiteten Minderjährigen aufzunehmen, die sonst in den Hotspots zurückgeblieben wären. Die Bestimmungen zur Art der Betreuung sind noch nicht festgelegt. Die Mädchen und Jungen sollen also in bereits bestehenden Zentren- oder solchen kurz vor der Eröffnung stehenden (die aber für Erwachsene konzipiert wurden) untergebracht werden.

Darum fehlt kompetentes Personal, eine sofortige Reorganisation der Einrichtung wäre notwendig, es besteht die Gefahr, dass die Neuankömmlinge sich selbst überlassen bleiben, in einigen Fällen sind sie bereits von sich aus von den Zentren weggegangen. Unter solchen Bedingungen, wo das Fehlen von Schutz und Betreuung offensichtlich und auch voraussehbar ist, erstaunt es, dass die Fachleute für die Aufnahme von Migrant*innen nicht als erste Priorität deren Schutz sicherstellen, sondern offenbar immer noch den politischen und ökonomischen Profit im Auge haben.

Vor wenigen Tagen hat ein Überlebender einer der letzten Katastrophen auf See sich Gedanken gemacht: „Auch hier helfen dir die Leute, wenn sie etwas dafür kriegen. Bei meiner Rettung wollten sie Informationen für ihre Untersuchungen, im Zentrum wollen sie meine Präsenz damit sie den staatlichen Beitrag bekommen, sie wollen meine Lebensgeschichte für die Zeitungen und deren Werbeeinnahmen. Als ich darum gebeten habe, meine Familie anzurufen, wurde ich nicht mehr beachtet.“

In Kürze werden in der Provinz Ragusa verschiedene „Notfallzentren“ für Minderjährige eröffnet, eines davon in Pozzallo. Der Vorschlag zum Schutz und im Interesse der Minderjährigen, sie auf unserem Territorium zu verteilen (in anderen- als den Orten ihrer Anlandung) scheint an der Aussicht auf kommende Einkünfte durch diese Institutionen zu scheitern. Das geht auf Kosten der Jugendlichen, und ihrer Hoffnung auf eine menschenwürdige Zukunft in einem Land, das die Rechte auch derer missachtet, die fast noch Kinder sind.

Lucia Borghi

Borderline Sicilia

* ASGI – Associazione per gli Studi Giuridici sull’Immigrazione: Verein für juristische Studien zur Migration

* CAS – Centro di Accoglienza Straordinaria: außerordentliches Aufnahmezentrum – nicht vorgesehene Notfallaufnahmezentren für maximal 2 Monate Verweildauer, die für Jugendliche nicht geeignet sind

Übersetzung aus dem Italienischen von Susanne Privitera Tassé Tagne