Das außerordentliche Aufnahmezentrum von Rosolini: Asylsuchende mit eingeschränkter Bewegungsfreiheit

Am 2. August haben wir wieder das CAS* von Rosolini besucht, das von Alessandro Frasca geleitet wird und zurzeit 101 Personen im Alter von 18 bis 30 Jahren beherbergt. Diese Menschen sind vor allem sub-saharianischer Herkunft, manche kommen jedoch auch aus dem Irak, Pakistan, Bangladesch, Afghanistan und Ägypten. Die Kapazität der Einrichtung liegt bei 118 Plätzen und ist auf 240 erweiterbar, auch wenn in Notfallsituationen schon über 250 Personen beherbergt wurden. Am 1. Juni 2018 hat das Zentrum den Zuschlag für weitere zwei Jahre Betrieb erhalten.

Das Team besteht mittlerweile aus vier Mediator*innen, einer Psychologin und zehn Weiteren, die für die Essensausgabe, die Reinigung und als Fahrer*innen eingesetzt werden. Noch dazu kommen die Köch*innen. Unser Besuch wird von einer kulturellen Mediatorin des Zentrums begleitet, die uns erzählt, dass das Zentrum mit den lokalen Kirchengemeinden, der Moschee und der Stadtverwaltung selbst zusammenarbeitet, in deren Einrichtungen die Bewohner*innen gemeinnützige Arbeit leisten.

Was die Wartezeiten bei der Antragstellung und zur Anhörung vor der Commissione Territoriale* angeht, erzählt uns die Mediatorin, dass diese von Zeit zu Zeit unterschiedlich sind. Da zur Zeit weniger Menschen ankommen und die Situation etwas ruhiger ist, dauert es circa einen Monat bis zur Antragstellung und somit zum Erhalt einer vorläufigen Aufenthaltsbescheinigung und nicht mehr als einen Monat bis zur Anhörung. Einige Bewohner*innen des Zentrums beschreiben die Situation anders: zwei junge Menschen erzählen uns, dass sie seit vier Monaten in der Einrichtung wohnen und bisher weder ihre Fingerabdrücke abgegeben haben, noch ihren Asylantrag haben einreichen können. Wir erfahren, dass die Bewohner*innen im Durchschnitt ein Jahr, maximal eineinhalb Jahre in der Einrichtung verbringen, auch wenn einige der Bewohner*innen, die seit 2016 dort wohnen, bis zu neun Monate warten mussten, um ihren Asylantrag einzureichen und sie, da sie Widerspruch gegen den Bescheid der Kommission eingelegt haben, jetzt immer noch im Zentrum untergebracht sind.

Der letzte Umzug von Bewohner*innen in ein SPRAR* war im April 2018, auch wenn im Laufe der Zeit viele Leute auf eigene Initiative das Zentrum verlassen haben. Zuletzt noch, vor nicht allzu langer Zeit, fünfzehn Personen, erzählt uns die Mediatorin. Wöchentlich sind, außer der einrichtungsinternen Psychologin, Vertreter*innen von Emergency* anwesend. Sie arbeiten im Rahmen des Projektes Silver, das vom Fond für Asyl, Migration und Integration 2014-2016 finanziert wird und das darauf angelegt ist, Migrant*innen, die Opfer von schwerwiegender Traumatisierung sind, bei ihrer sozialen Integration in Sizilien zu unterstützen.

In letzter Zeit, zuletzt im Februar/März, wurden drei Asylgesuche abgelehnt, aber die Fälle von freiwilliger Ausreise in Zusammenarbeit mit der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind gleich null. Ein Bewohner hat mit Hilfe derselben IOM erfolgreich die Verlegung nach Schweden beantragt, wo seine Frau und seine Kinder leben.

Die Interaktion mit der Gemeinde wird als schwierig beschrieben. Es werden lokale Integrationsprojekte genannt, die daraus bestehen, dass die Bewohner*innen des Aufnahmezentrums die Schulen vor Ort besuchen. Abgesehen von dieser Initiative verbietet die Einrichtung den Bewohner*innen weiterhin, wie es schon vorherige Male vorgekommen ist, diese ohne Begleitung zu verlassen. Wir informieren uns also über die Gründe dieses Verbots und wie diese Einschränkung der Bewegungsfreiheit von den Bewohner*innen aufgenommen wird: der Grund, der uns genannt wird, ist die Häufigkeit von rassistisch motivierten Angriffen auf die Migrant*innen, welche, laut der Mediatorin, nach einer Weile diese Lösung akzeptiert haben.

Nach den Gesprächen mit einigen der im Zentrum untergebrachten Menschen, ist es offensichtlich, dass ihre größte Frustration die Isolation in der Einrichtung ist, ohne zu wissen, wie lange sie genau dort werden bleiben müssen. Manche von ihnen, die gerade auf ihre Anhörung warten, fragen uns, wie diese ablaufen wird und erklären uns, dass sie noch niemand darauf vorbereitet hat, was uns die Bewohner*innen bestätigen, die bereits ihren Widerspruch eingelegt haben. Wiederum andere fragen uns nach Informationen, wie sie mit ihren Familienmitgliedern zusammengeführt werden können, die in anderen europäischen Ländern leben. Sie scheinen nichts über die Dublin-Verordnung und andere Vorgänge in Hinblick auf den internationalen Flüchtlingsstatus zu wissen. Diese Unsicherheit der Menschen, was die notwendigen Schritte zum Erhalten Papiere und ihre Rechte und Möglichkeiten angeht, entspricht nicht dem, was uns die Mediatorin erklärt hat: sie versichert uns, dass innerhalb der Einrichtung ein Anwalt arbeitet, der die Fälle der Menschen begleitet, und dass das Zentrum eine Rechtsberatung anbietet.

Die Einrichtung bietet Kinoabende, Sport, Musiktherapie, Italienischkurse, auch Aktivitäten wie Malkurse an, und es wird momentan eine Bibliothek eingerichtet. Jedoch scheinen diese Aktivitäten eher als Ablenkung zu dienen um die eingeschränkte Bewegungsfreiheit auszugleichen. Noch dazu kommt, dass einige Bewohner*innen uns erzählen, dass sie mit Shuttlebussen, die sie direkt im Zentrum abholen, zum Arbeiten als Tagelöhner aufs Land gefahren worden sind. All das trägt zu einer konstanten und systematischen Marginalisierung der Asylsuchenden bei, die oft ohne Hilfsmittel zur Integration in die Gesellschaft, in der sie leben, alleine gelassen werden. Gleichzeitig werden die Aufnahmezentren zu Sammeleinrichtungen für billigste ausländische Arbeitskraft, die meistens in der Landwirtschaft tätig ist.

Die Einrichtung scheint gut erhalten zu sein und aufgrund der abnehmenden Ankünfte gibt es keine Überlastungsprobleme. Jedoch bleibt die illegitime Praxis der Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Bewohner*innen, die wir in einer Linie verstehen mit dem notfallmäßigen Umgang mit der Einwanderung, als sei diese eine temporäre Krise und kein strukturelles Phänomen. Daher kommt auch die Wahrnehmung der Migrant*innen als Menschen, die dem Territorium fremd und nur mit viel Mühe zur Integration fähig sind. Die Einschränkung der Bewegungsfreiheit, selbst in der Stadt, die die Menschen aufnimmt, ist illegitim und willkürlich. Außerdem trägt sie zu der Wahrnehmung bei, dass Migrant*innen ferngehalten und weit außerhalb des Sichtfeldes der Anwohner*innen in den Aufnahmezentren festgehalten werden müssen. Und wieder sind sie Zahlen, um Einrichtungen zu füllen, Arbeitskräfte, um auf dem Land zu arbeiten; aber keine Menschen.

Beatrice Mariottini, Vittoria Fiore

Borderline Sicilia

*CAS: Centro di Accoglienza Straordinaria – außerordentliches Aufnahmezentrum
*Commissione Territoriale – analog zur Landesvertretung des BAMF in den deutschen Bundesländern/ Landkreisen
*SPRAR (sistema di protezione per richiedenti asilo e rifugiati) – reguläre Aufnahmezentren für Geflüchtete mit Aufenthaltserlaubnis und Menschen, die ein Asylgesuch aufgegeben haben
*Emergency – NGO, die mobile gesundheitliche Verpflegung auf der Straße anbeitet. Hauptsächlich für Menschen die auf der Straße leben und für diejenigen, die keinen Zugang zum Gesundheitssystem haben

Übersetzt von Antonia Cinquegrani