Ankunft in Augusta der Überlebenden einer erneuten Tragödie. 24 Leichname und hunderte Vermisste

Im Handelshafen von Augusta ist es unruhig, als ich um 14 Uhr dieses
warmen und windigen Nachmittags den Kai betrete. Das Schiff „Fiorillo“
von der Küstenwache liegt schon seit zwei Stunden im Hafen, überfüllt
mit Migranten, aber die Anlandung hat noch nicht begonnen. Vor dem
Schiff wartet eine Traube aus Menschen: Ärzte des Roten Kreuzes und der
Ärzte ohne Grenzen, Arbeiter des Zivilschutzes, Vertreter von OIM, UNHCR
und Save the Children für das Projekt Praesidium, Polizei, Carabinieri
und Zollbeamte.
Seit dem 1. August sind auch immer
einige Repräsentanten von Frontex vor Ort, die Flüchtlinge interviewen
und mit den Behörden sprechen; sie sind allerdings sehr zurückhaltend,
wenn es darum geht Fragen zum Grund ihrer Anwesenheit und zu ihrer
Arbeit zu beantworten.
In der Zwischenzeit hat das Schiff „Foscari“
der italienischen Marine angelegt und die „Fenice“ Kurs auf den Hafen
aufgenommen: Während des erneuten Schiffbruchs, welcher sich am Abend
des 24. Augusts 18 Meilen nördlich von der libyschen Küste ereignet hat,
waren drei Schiffe der Marine im Einsatz. Die „Fiorillo“, so der
Oberleutnant des Schiffes Giuseppe Maggio, hatte bereits am Tag zuvor
die Passagiere eines Schlauchbootes in Sicherheit gebracht, auf dem 98
Personen aus Eritrea, Äthiopien und Somalia reisten, als die Nachricht
durchgegeben wurde, dass ein überfüllter 12 Meter langer Schiffskutter
in sehr schlechtem Zustand gekentert war. Dem Kutter waren bereits die
Kriegsmarine, ein Helikopter, welcher Schlauchboote abgeworfen hat, und
zwei Frachtschiffe zur Hilfe gekommen. Das Kentern war durch das
schlechte Wetter und die, typisch für viele aus Libyen ablegende
Schiffe, Überfüllung ausgelöst worden. Durch die Aussage von Carlo
Scigliuzzo, Fregattenkapitän des Schiffs „Foscari“, welches die
Leichname der 24 Personen transportiert, die sich nicht retten konnten,
erfahre ich, dass auf dem Fischkutter circa 500 Personen reisten, davon
aber nur 344 gerettet werden konnten. Nach Schätzungen werden um die 100
Personen vermisst, nach denen, wie der Kapitän unterstreicht, einen
ganzen Tag erfolglos gesucht wurde. Die Überlebenden, hauptsächlich
Syrer, aber auch Palästinenser, Algerier, Libyer und Libanesen, wurden
auf die Schiffe „Fiorillo“ (232) und „Foscari“ (112) aufgeteilt. Unter
ihnen befanden sich auch acht Frauen, ein zwei Monate altes Mädchen mit
der Mutter und ein weiteres einjähriges Mädchen, welches von einen
syrischen Passagier gerettet und von ihm während der Reise versorgt
wurde. So habe ich sie auch an Land kommen sehen, wie ein Vater mit
seiner schlafenden Tochter in den Armen. Sie gehen zu dem Schiff, in dem
sich die anderen Flüchtlinge befinden, gefolgt von Vertretern von UNHCR
und Save the Children: Sie hoffen, die Eltern der Kleinen ausfindig zu
machen. Einige Personen meinen die Mutter zu kennen, jedoch gibt es
keine Verwandten. Sie gehen zur Zeltstadt des Zivilschutzes, die Kleine
wird nun wahrscheinlich den Sozialarbeitern anvertraut. Die Überlebenden
sind die ersten, die von der „Fiorillo“ an Land gehen, gefolgt von
sechs von Krätze betroffenen Passagieren. Es gibt keine
Schwerverletzten, abgesehen von einem Passagier mit Brüchen in den
unteren Gliedmaßen, welcher sofort im Krankenwagen weggefahren wird.
Gegen
ungefähr 15.30 Uhr beginnt das Schiff „Fenicia“ die langwierige
Anlandung der Leichname. Unter den leblosen Körpern befindet sich auch
der eines zwei Monate alten Babys. Der leidvolle Transport der Särge aus
dem Schiff zu dem Kühllastwagen dauert Stunden. Der Lastwagen fährt zum
Krankenhaus in Lentini, wo die Obduktionen stattfinden werden. Die
Matrosen haben eine Kordel aus Tüchern geformt, um die Särge vor den
Aufnahmen der Journalisten zu schützen, aber diese Körper ohne Namen
schreien noch einmal ihre Verzweiflung in die Welt.

Beatrice Gornati
Borderline Sicilia Onlus

Aus dem Italienischen von Linde Nadiani