Schluss mit den kollektiven Zurückweisungen von Syrakus nach Ägypten

Ende März wurden Dutzende von ägyptischen Migranten kollektiv von Syrakus (Sizilien) nach Kairo abgeschoben, nachdem man sie aus dem Meer gerettet hatte. Das begründet sich mit dem Abkommen, welches 2001 (ratet mal, wer an der Regierung war?) abgeschlossen und von Maroni perfektioniert wurde (Rückführungsabkommen zwischen Italien und Ägypten, Berlusconi war 2001 an der Macht, Maroni war 2009 italienischer Innenminister, Anm. der Übersetzerin). Diese kollektiven Zurückweisungen, echte Deportationen, haben sich auch in den letzten Tagen wiederholt.
Der Appell und die Kritik der Anwaltsvereinigung ASGI Sizilien und dem ARCI Syrakus wurde nicht gehört: “Nach der Anlandung vom 26. März in Brucoli gab es zwei weitere Anlandungen in der Nacht des 28.Märzes an der Ostküste Siziliens. Vereinigungen und Einrichtungen, die sich um die Belange von Migranten kümmern, fordern nachdrücklich, dass das Schengen Regelwerk und das non-refoulement Gebot Art. 33 der GFK eingehalten werden, und dass die individuelle Geschichte jedes Migranten geprüft wird. Informationen und gegebenenfalls der Zugang zum Asylverfahren muss auch ägyptischen Staatsbürgern gewährt werden, zudem muss es eine aufmerksame Prüfung geben, ob sich unbegleitete Minderjährige unter den Migranten befinden. Wir fordern ein klares NEIN von kollektiven Abschiebungen sowie im Namen der oben genannten Vereinigungen und in allererster Linie für die Mitarbeiter von PRAESIDUM (siehe unten) Zugang zu den Orten, an denen die Migranten kurzzeitig untergebracht werden, damit deren Rechte auf Verteidigung garantiert werden können.”
Bezüglich dieser Praxis, die von der Zentraldirektion für Immigration und Grenzen des Innenministeriums entschieden wurde, sind die immer gleichen Begründungen und der Hinweis auf die internationalen Abkommen und geltenden Gesetze wenig hilfreich. Man müsste nach Syrakus fahren und direkt bei der Polizei und dem Innenministerium in Rom gegen diese illegalen Zurückführungen protestieren, da diese Personen (die Migranten) isoliert und behandelt werden, als würden sie sich nicht auf Staatsterritorium befinden. Angewandt wird die sofortige Zurückweisung nach Artikel 10 (1) des Migrationsgesetzes T.U. 286/1998. Es gibt keine unbequemen Anwälte und keine Richter, die den Vorgang prüfen müssen, alles, alles liegt im Ermessen der Polizei, auch die Altersfeststellung der unbegleiteten Minderjährigen. Die italienische Polizei missachtet hier unsere Rechtsprechung, die festlegt, dass die Minderjährigkeit auf Grundlage der Bestimmungen des Heimatlandes festzulegen ist, das bedeutet, dass alle Zurückweisungen der 18- bis 21-Jährigen nach Ägypten illegal sind, denn sie stehen im Widerspruch zum Abschiebungsverbot nach Art. 19 des Migrationsgesetzes.
Wer darüber mehr erfahren möchte und vor allem, wer gegen diesen Missbrauch handeln möchte:
http://www.meltingpot.org/Diritti-sotto-sequestro-Da-Siracusa-ancora-deportazioni.html
Die italienische Rechtsprechung bestätigt, dass die Ägypter als minderjährig gelten und damit nach Art. 19 des Migrationsgesetzes 286/1998 bis zu 21 Jahren nicht abschiebbar sind, da sie in Ägypten erst mit 21 Jahren als volljährig gelten. Daher ist es unerlässlich, dass man allen Migranten einer effektiven Alterskontrolle unterzieht, bevor man sie abschiebt!
Wie aus einer Presseerklärung von Save the Children hervorgeht muss “die Volljährigkeit der ausländischen Jugendlichen auf Grundlage der Gesetze des Landes festgelegt werden, dessen Staatsbürger/innen sie sind, und nicht auf Grundlage der italienischen Rechtslage. Das besagt das Gesetz 218/95 (Artikel 42). Dieses Gesetz sieht vor, dass in jedem Falle die Haager Abkommen vom 5.10.1961 anzuwenden sei, in der es um die Kompetenzen der Behörden und um die anzuwendenden Gesetze zum Schutz von Minderjährigen (Art. 12) gehe. Somit müssen die italienischen Behörden die Minderjährigkeit auf Grundlage der Gesetze des Heimatlandes anerkennen und die dementsprechenden Maßnahmen einleiten, die zum Schutz der Minderjährigen in der italienischen Gesetzgebung existieren und die bis zur Volljährigkeit anzuwenden sind. Auf der Grundlage dieser Argumentation hat das Gericht in Rom Ausweisungsbeschlüsse für nichtig erklärt, die für 18-jährige ausländische Jugendlich erlassen worden waren, da die Gesetze des Heimatlandes (Ägypten) die Volljährigkeit erst mit 21 Jahren vorsehen.” So haben der Friedensrichter von Rom, Erlass vom 05.12.2012, n. 42634/2012 und das Gericht in Rom, Erlass vom 20.09.2011, n.17850/2010 entschieden. Die Anwälte mögen diese Rechtsprechung nutzen und Fälle anzeigen, bei denen unbegleitete Minderjährige abgeschoben werden. Für die, die bleiben, ist nicht einmal ein Asylverfahren vorgesehen, sie werden einfach sich selbst überlassen, so als ob man ein Adoptionsverfahren eröffnen könnte.

ES BEDARF DRINGEND EINER “MISSION” VON INTERNATIONALEN ORGANISATIONEN in SYRAKUS, DIE DIE RECHTE VON UNBEGLEITETEN MINDERJAHRIGEN VERTRETEN
Es wäre auch wichtig, dass SAVE the CHILDREN etwas über eine Presseerklärung hinaus unternähme und endlich einige Fälle anzeigte. Alle Vereinigung, die eine Vertrag mit dem Innenministerium im Rahmen des PRAESIDIUM-Projektes haben (SAVE the CHILDREN, UNHCR, IOM, Rotes Kreuz) müssen Zugang zu diesen informalen Zentren erhalten, in denen die Migranten nach der Anlandung oder der Rettung festgehalten werden und auf die erste Identifizierung warten – sprich auf die sofortige Zurückweisung in das Heimatland.

Fulvio Vassallo Paleologo, Universität Palermo

Aus dem Italienischen von Judith Gleitze