Zeugenaussage aus dem Hotspot von Lampedusa

Hiermit veröffentlichen wir eine Zeugenaussage zu dem Geschehen am 7. und 8. März im Hotspot von Lampedusa:

Das Problem begann gestern, als ein Jugendlicher aus Protest eine Rasierklinge aß und er, während er litt und klagte, von der Polizei geschlagen wurde. Ein Geflüchteter machte ein Video davon und die Polizei begann, es zu suchen um es zu löschen, was eine Art Jagd auf den Mann ausgelöste. Einige Jugendliche entschieden aus Protest, bis zur Freilassung des Jungen, der die Rasierklinge gegessen hatte, draußen vor dem Büro zu schlafen.

Heute befand sich ein sehr gewalttätiger Polizist im Zentrum, der sie den ganzen Tag provozierte. Zum Beispiel schubste und schlug er sie in der Schlange zum Essen ohne Grund mit dem Knüppel.
Als Folge auf diese Provokationen gingen die Personen dann zum Büro des UNHCR, um sie zu bitten, mit dem Direktor zu sprechen, damit dieser den gewalttätigen Polizisten versetzen lasse. Das UNHCR versuchte, mit dem Direktor zu sprechen, es gelang ihnen aber nicht. An dieser Stelle taten die Jugendlichen sich zusammen und entschieden, selbst mit dem Direktor zu sprechen, um den Polizisten versetzen zu lassen und eine Lösung zu ihrem Schutz zu finden. Die Anspannung und die Wut unter ihnen waren groß. Unter ihnen war ein Familienvater, um keine Namen zu nennen, der zu dem Direktor sagte: „Du musst sofort eine Lösung für mich finden.“, worauf ihm der Direktor antwortete: „Mir fehlt nur eine Woche und dann bin ich weg. Und in dieser Woche bewegt sich niemand. Ihr werdet alle weiter hierbleiben: einen Monat, zwei Monate, drei Monate…“. An dieser Stelle antwortete der Familienvater: „Ok, das sehen wir dann mit dem neuen Direktor, aber jetzt bitten wir dich darum, mit der Polizei zu sprechen und ihr zu sagen, uns nicht schlecht zu behandeln…“. Der Direktor antwortete, dass dies nicht seine Arbeit sei.

Danach gingen die Personen wütend zurück zu ihren Schlafstätten: sie entschieden, das Zentrum zu verlassen, da der Direktor darauf bestand, dass er ihnen nicht helfen könne, und nicht in der Lage sei, sie zu schützen und sich um sie zu kümmern. Sie haben die wenigen Sachen gepackt, die sie besitzen, und sind alle zusammen in Richtung des Tores gegangen, wo sie die Soldaten darum baten, es zu öffnen und sagten: „Wir gehen weg und kommen nicht zurück.“ Während diese Gruppe mit den Wachmännern sprach, blieben drei Jugendliche zurück und steckten ein Zimmer in Brand.

Die Gruppe am Eingang sah das Feuer hinter sich in den hinteren Zimmern des Gebäudes aufflammen. Es kam zur Panik, die Sicherheitsbeamten hielten ihre Knüppel in den Händen, wodurch sie die Panik unter den Menschen nur noch verstärkten. Die Menschen begannen, in alle Richtungen zu laufen, während die Polizei zur Gewalt griff. Einigen gelang es, aus dem Haupttor zu fliehen, andere konnten durch ein Loch entkommen und wieder andere blieben mitten im Eingang blockiert, unter ihnen auch eine Familie mit einem achtjährigen Mädchen, das von der Polizei heftig angegriffen wurde, woraufhin es in die Notaufnahme gebracht wurde.

 

Im Folgenden verfolgte die Polizei die fliehenden Personen bis hin zu den umliegenden Hügeln und begann, sie zu fotografieren (die Polizei fotografierte die Leute, die auf die Hügel flüchteten).

Im Laufe des Abends wurden zwei Frauen und ein Mädchen aufgrund ihrer Verletzungen ins Krankenhaus gebracht.

 

Nach den uns vorliegenden Informationen handelt es sich bei etwa 60 der 150 Personen im Hotspot um Asylbewerber*innen. Das Versprechen einer Verlegung bis zum 20. Februar wurde nicht eingehalten und, wie letzten Monat vom Forum Lampedusa sociale in einem Brief an den Präfekten von Agrigento angeprangert, war es offensichtlich, dass etwas passieren konnte.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Borderline Sicilia

Übersetzung aus dem Italienischen von Moira-Lou Kröll