Wir spielen Verstecken

Wer ist für die CAS* in Italien verantwortlich? Das Innenministerium,
das die örtlichen Präfekturen, zuständig für Ausschreibungen und Verträge für
deren Verwaltung, beauftragt.

Wer trägt Verantwortung für die Kontrolle der CAS? Das
Innenministerium wieder über die Präfekturen und die Mitarbeiter des
Präsidiumsprojekts in Übereinkunft mit dem Ministerium.

Entschuldigung, hier gibt es einen Widerspruch:
Diejenigen, die kontrollieren stimmen mit denjenigen, die kontrolliert werden,
überein! Wer hat also Interesse daran, die Büchse der Pandora zu öffnen?

Sicherlich liegt es nicht im Interesse des
Innenministeriums und sicherlich nicht im Interesse der Präfekturen.

Es bleiben nur noch die wenigen humanitären Organisationen
übrig (OIM, Acnur, Save the Children), die in Sizilien mit auf das Minimum
beschränkten Mitteln und Personal tätig sind, so dass sich die Garantie des
Schutzes nur auf eine Stichprobenkontrolle beschränkt.

Währenddessen werden diejenigen, die, wie u.a. unsere
Vereinigung, an der Basis auf diesem Gebiet arbeiten und versuchen, die
Mechanismen des Business mit der Immigration von Grund auf zu verstehen und darüber
unabhängig zu informieren, de facto durch bürokratische Hindernisse und
auf andere Weise an einer unabhängigen Überwachung gehindert.

Die Institutionen spielen Verstecken und tun so, als ob
sie nicht wüssten, wer die Betreiber sind, die nicht ordnungsgemäß arbeiten.
Sie tun so, als ob sie nicht wüssten, dass in den Einrichtungen interkulturelle
Sprachmittler fehlen: Präfekturen und Vereinigungen von Präsidium weigern sich,
die Probleme zu sehen, weil wahrscheinlich die notwendigen Mittel fehlen, um
die Löcher eines Systems zu stopfen, das bekannterweise ein gescheitertes System
für die Benutzer ist, aber für diejenigen, die ein Interesse haben, immer noch
vorteilhaft ist.

Es ist normal, dass auch die Mitarbeiter einiger
Einrichtungen ihre Stimme erheben, müde davon, Zuschauer der Missbräuche zu
Lasten der betreuten Personen und selbst Opfer dieses Systems zu sein.

Die Telefonanrufe mit den Beschwerden erfolgen nicht nur
seitens der Migranten (wie in der
letzten Woche in Trapani, wo die Gäste der Ipab* “Vulpitta” und der Unterkunft “Marino” gegen die bürokratischen Verspätungen und
Lebensbedingungen in den Einrichtungen protestiert haben), aber auch von A.,
Mitarbeiterin einer Einrichtung in der Gegend von Trapani, die kein Gehalt
bezogen hat, obwohl sie 13 Monate ununterbrochen gearbeitet hat, die sich bei
uns ausgeschüttet hat: „Wir schaffen es nicht mehr, ich bin nicht die
einzige, die sich über die Arbeitsbedingungen beschwert. Es beginnt bei den
Kommissionen, die zu langsam sind und die Jugendlichen in den 4 Wänden sitzen
lassen; es geht weiter mit der Präfektur, die, wie die drei Äffchen, nichts sehen,
hören und nicht sprechen mag; und es endet mit meinem Arbeitgeber, der die Soße
mit Wasser verdünnt, um zu sparen, so dass die Jugendlichen die Pasta
wegwerfen, da diese ungenießbar ist. Die Forderungen der Jugendlichen stoßen
auf taube Ohren, weil kein Mediator kommt und
dadurch eine konfliktreiche Beziehung zwischen ihnen und uns entsteht.
Der Arbeitgeber lässt sich nicht blicken, und wir sind gezwungen, unmögliche
Schichten einzulegen, da wir außerdem Wenige sind. Wir sind wirklich müde. Und
wenn es nicht um das Geld ginge, das ich brauche, würde ich zu Hause bleiben; man
kann nicht keine Zahnbürsten geben und nur eine einzige in das Zimmer legen,
man kann nicht bei dieser Hitze nur eine 1-Liter Flasche Wasser am Tag – auch
noch warm ­– geben. Wir können nicht ohne Klimaanlage bleiben, was wir tun, da
andernfalls die Stromrechnung zu hoch ist. Wie kann man das nur aushalten…
helft uns!“. A. hat in diesen Tagen gekündigt. Sie konnte diesem Spiel
nicht Stand halten. Sie befürchtet, dass der ihr zustehende Lohn nicht mehr ausgezahlt
wird!

Die jugendlichen Gäste der Einrichtung, in der A.
arbeitete, setzen noch eins drauf, indem sie auch uns bezichtigen, Diebe wie
die anderen Italiener zu sein, denen sie begegnet sind und die auf ihre Kosten
verdienen, weil wir nicht in der Lage sind, diese Situation zu stoppen. Leider
ist es schwierig ihnen verständlich zu
machen, dass unsere Vereinigung, bevor sie die CAS besuchen können, in denen
sie untergebracht sind, auf eine Genehmigung der Präfekturen warten müssen, die
aus welchem Grund auch immer verzögert, zurückgewiesen oder niemals erteilt
wird; Es ist auch schwer, ihnen verständlich zu machen, dass in Italien eine unabhängige
Kontrolle der Aufnahmeeinrichtungen nicht vorgesehen ist.

Andere Gäste der CAS in Partinico haben uns diese Fotos
zugeschickt:

Sie haben uns erzählt, dass sie ab und zu das Mittag-
oder Abendessen auslassen, weil das Essen, das die Betreiber anbieten, nicht
immer appetitlich ist. Auf dem Foto kann man das Essen, das in der Mensa vor
einigen Wochen serviert wurde, sehen.



Es wird vermutet, dass es sich um den Kopf eines Hähnchen
handelt, aber tatsächlich kann man es mit Sicherheit nicht erkennen: Es
überrascht nicht, dass den Jugendlichen der Appetit vergeht!

Wenn man nichts anderes zu tun hat, als auf die Dokumente
zu warten, um ein neues Leben zu beginnen und man nichts anderes außer Schlafen
und Essen während des Tages macht, verlieren die Jugendlichen die Lust daran,
sich an den Tisch zu setzen und ein Gericht zu sich zu nehmen. Ganz zu
schweigen von der toten Maus am Eingang, die sicherlich nicht ein Hinweis auf
die gesunden hygienischen Verhältnisse ist.

Es ist komplex und schwierig einen Weg zu finden, um an
das Tageslicht zu bringen, wie an diesen Orten die Dinge funktionieren, aber
uns hat es noch nie gefallen, Verstecken zu spielen. Wir werden weiterhin nicht
mit denjenigen, welche die Regeln dieses Spiels diktieren, einverstanden sein.

Wir sind felsenfest davon überzeugt, dass es notwendig
ist, den Stand der Dinge publik zu machen. Nur so kann man das rassistische
Abdriften stoppen, das in einigen Provinzstädten Fuß fast, in denen sich CAS, und SPRAR*, befinden und wo immer öfter
diskriminierende Episoden stattfinden. Wie das, welches gegenüber
einigen jugendlichen Gästen einer Einrichtung vor einigen Tagen in Alcamo
passiert ist. Diese haben aus Empörung über die prekären Bedingungen der
Aufnahme auf der Straße protestiert, während die Einheimischen ihre eigenen
Frustrationen ihnen gegenüber ausgelassen haben.

Die Unfähigkeit des Personals und die mangelnde
Ausbildung der Betreiber sind der Grund für die Missstände und die Beschwerden.
Wenn diese bis ins Extreme geführt würden, könnten sie in Episoden wie der
Geiselnahme von Mitarbeitern oder Beschädigungen der Einrichtungen münden.

Es passiert immer öfter, dass die Gäste, müde von den
Missbräuchen und in Abwesenheit der angemessenen psychologischen, rechtlichen,
etc., Unterstützung von Opfern zu Tätern in diesem absurden italienischen
System werden.

So ist es in der CAS von Naro passiert, wo letzte Woche
manche Gäste, müde von den Bedingungen in der Einrichtung, zwei Mitarbeiter für
ca. 12 Stunden als Geisel genommen haben.

Schon seit langem hat unsere Vereinigung telefonische
Hinweise über die widrigen Lebensbedingungen in dieser Einrichtung erhalten.
Diesen folgte ein sofortiger Antrag auf Gestattung des Besuchs dieser
Einrichtung bei der Präfektur von Agrigento, um den Beschwerden der Gäste, von
allen unbeachtet (!), eine Stimme zu geben (die bis dahin friedlich waren)! Natürlich
ist uns keine Genehmigung erteilt worden, indem de facto den Gästen dieser
Einrichtung verwehrt wurde, die zuständigen Personen über ihre Beschwerden und
Missstände zu informieren. Dies hatte zur Folge, dass einige Migranten ihre
Zukunft zerstört haben. Viele Einheimische des Gastlandes werden kein Vertrauen
mehr in die jugendlichen Gäste der Einrichtung haben und wenn keine
schwerwiegenden Mängel der Struktur bestehen, wird diese weiterhin betrieben
werden!

Die Hoffnung ist, dass die am letzten Wochenende in den
Hafen von Sizilien angekommenen Migranten nicht die Geduld verlieren, beginnend
mit denjenigen, die zu zwei verschiedenen Zeitpunkten in Lampedusa angelandet
sind (ca. 600, in Gruppen von à 100 über Porto Empedocle in die CAS von Villa
Sikania, in Siculiana, und in andere Provinzen verbracht), und in Palermo mit
der Ankunft von ca. 720 Personen und 12 Leichen endend, gestorben wegen der
Sorglosigkeit und Gier von Europa wie
die UNO behauptet. Es ist leicht dies zu sagen
oder einen Bericht zu schreiben, es ist schwieriger zu handeln, um Leben
statt Wirtschaft und individuelle Interessen zu retten! In Palermo führt
das anhaltende Fehlen einer Aufnahmestrategie zur kontinuierlichen Überlastung
von Caritas und Freiwilligen.

Für die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge beginnt
eine nicht endende Odyssee wegen der ungenügend zur Verfügung stehenden Plätze
in den betreffenden Einrichtungen mit der Folge, dass fragwürdige Entscheidungen
von Institutionen getroffen werden wie z.B. Jugendliche von 16 und 17 Jahren, bis
zur einer endgültigen Unterbringung, in Einrichtungen für Kinder zu stecken.

Wir sind uns sicher, dass irgendein Fachmann für die
Aufnahme auf der Welle des neuerlichen Notstands eine Einrichtung für die
Verteilung oder für die Erstaufnahme von Minderjährigen eröffnet. Viele fliegen
wie Geier über sterbende Tiere, die bereit sind, die Beute aufzuteilen, aber
darüber berichten wir das nächste Mal, wenn sich dies in Palermo und anderen
Städten auf makabre Weise bewahrheitet.

Alberto Biondo

Borderline Sicilia Onlus

* CAS – Centro di accoglienza straordinaria:
außerordentliches Aufnahmezentrum

*IPAB – Istituto pubblico di assistenza e benessere:
italienische öffentliche Einrichtung der Wohlfahrt und Unterstützung

*SPRAR – Sistema di protezione per rifugiati e
richiedenti asilo: Schutzsystem für Asylsuchende und Flüchtlinge, kommunales
Aufnahmesystem auf freiwilliger Basis

Übersetzung von Lan Gatti