Der Schatten des Rassismus über unseren Städten

Andrea Camilleri spricht vom Faschismus wie von einem Virus welches mit der Zeit mutiert, in der Vergangenheit nicht gänzlich bezwungen wurde, und deshalb heimtückischer zurückkehrt als zuvor. Der Faschismus bringt heute wie gestern nur Schlechtes mit sich. Gleichzeitig setzt der Rassismus als essentieller Bestandteil des Faschismus seine Ausbreitung fort und verseucht nicht nur die Köpfe, sondern auch die Institutionen.

Zu viele Regierungen verstecken sich heute hinter dem Deckmantel der „vom Volke gewählten Macht“ um eigene Staatsbürger*innen zu missbrauchen, um die Schwächsten zu unterdrücken und die in den letzten Jahren mühsam erlangten Rechte zu streichen. Eines der letzten Beispiele ist der amerikanische Präsident, der Israel die Souveränität über die Golan-Höhen anerkannte, und sie damit faktisch Syrien entzog. Andere missbrauchen wie er die eigene Macht mit einer Arroganz von Halbstarken, derweil scheinen diejenigen die sich widersetzen würden ihre Stimme verloren zu haben.

Die Zahlen lügen im Gegensatz zu Politiker*innen nicht

Am 22 März verbrannte Sylla Nouma, ein senegalesischer Junge, im x-ten Brand in San Ferdinando. Getötet wurde er von der Migrations- und Arbeitspolitik, welche diskriminierende Ausbeutung der immer weniger sichtbaren Migrant*innen erlauben.

Am 23. März haben sich die Spuren eines Schlauchbootes, aus Sabrata in Libyen, mit 41 Menschen an Bord verloren. Es scheint als ob es im Nichts verschwunden wäre. Die Rettungsschiffe der NGOs stehen alle still, genauer gesagt wurden sie stillgelegt, um ihnen nicht zu ermöglichen, Zeug*innen dieser Massaker zu sein, welche geplant werden um Stimmen zu bekommen und weiterhin Angst und Hass zu verbreiten. Über diese 41 Menschen wird niemand sprechen, vermutlich wurden sie vom Meer verschluckt und werden nicht in die falschen und irreführenden Statistiken der Politik aufgenommen.

Am 24 März haben es elf Menschen, die in Tunesien gestartet sind, nicht geschafft auf Sizilien anzukommen, das kleine Boot ist wahrscheinlich gesunken und nur die Leiche einer Frau ist an der Küste Tunesiens wieder aufgetaucht. Eine junge Frau die aufgebrochen war um den Krebs gegen den sie seit einiger Zeit kämpfte zu besiegen. Aber wir, in unserer Festung, lassen solche Menschen nicht hinein, da sie nicht genügend Geld haben um vor ihnen den roten Teppich auszurollen. Auch diese elf Menschen werden nicht in die berühmten Statistiken aufgenommen.

Tod und Überwältigung, Ungerechtigkeit und Gewalt, auf diese Weise haben sie beschlossen Europa zu regieren. Die Sprecherin des UNHCR hat vor zwei Tagen klar gesagt, dass Libyen kein sicherer Hafen ist, dass das Mittelmeer noch nie so gefährlich gewesen ist, und dass unsere Regierung die wahren Zahlen verschweigt.

Grünes Licht für Rassist*innen

Unser Freund Kamal erzählt uns, dass der Alltag sich für schwarze Menschen verändert hat, seitdem die Wut gegenüber Migrant*innen gesellschaftsfähig geworden ist und der Rassismus einen Qualitätssprung gemacht hat: „Die Leute schauen mich oft schlecht an, auf der Straße, in der Bar, in der Behörde. Wir scheinen die Ursache allen Übels zu sein, und ich ziehe es vor immer zu den üblichen Orten zu gehen und Zeit mit Menschen zu verbringen, die mich kennen, um die hasserfüllten Blicke nicht auf mich zu ziehen.“ Heute ist es sogar noch schwerer eine Wohnung zu mieten, oder eine Antwort von einem Amt wie dem Polizeipräsidium, dem Arbeitsamt, oder vom Einwohnermeldeamt zu erhalten, wenn man nicht weiß ist oder nicht von einer weißen Person begleitet wird. Vorfälle die sich auch in einer Stadt wie Palermo ereignen, aber „wenn die Minister*innen jeden Tag schlecht von uns sprechen, haben die Rassist*innen jetzt grünes Licht, es hält sie niemand mehr auf.“

A., ein Straßenverkäufer mit einer Aufenthaltsgenehmigung und einer Verkaufslizenz, erzählt uns, dass die Menschen ihn beleidigen und Jugendliche ihm jeden Tag etwas klauen oder auf seine Ware spucken. Er kann sich glücklich schätzen, wenn er nicht körperlich angegriffen wird. Das gleiche Bild geht aus den Erzählungen von S. hervor, der erklärt, dass sie die Übergriffe nicht anzeigen weil sie kein Vertrauen in die Institutionen haben, welche die Hauptverantwortlichen dieser Stimmung sind, „weil sie es so wollen, wir müssen die Leidtragenden sein und uns auch so verhalten“.

M., ein Straßenverkäufer aus Bangladesh, hat uns berichtet, dass er versucht hat zur Anzeige zu bringen, dass ihm bei dem Versuch seine Ware zu verteidigen ein Arm gebrochen wurde. Jedoch hat der zuständige Polizeibeamte sich geweigert die Anzeige entgegenzunehmen, und zu ihm gesagt: „Hättest du nicht dort bleiben können, besser noch, eigentlich sollten wir dir einen Strafzettel dafür geben, und nun forderst du sogar noch einen Italiener anzuzeigen? Wenn es dir nicht passt, geh doch in dein Land zurück“. Gewalt und Missbrauch, alltägliche Übergriffe in unseren Städten, begangen auch von Menschen in Uniformen wie von den Stadtpolizist*innen. Männer und Frauen, die zu einem Alptraum in Dienstkleidung für Personen werden, die sich lediglich etwas Geld verdienen möchten um ihre Familie zu ernähren.

„Drecksschwarzer“ ist nun schon ein Kompliment, schlussfolgert Kamal, und um Papiere zu erhalten müssen wir still sein und mitmachen „Seid brav und beschwert euch nicht zu sehr, merkt euch, dass ihr unwillkommene Gäste seid“. Sätze die vielen jungen Menschen im Sinn bleiben und nachklingen, Opfern dieses Hasses.

Verzeih uns Ons

Die Toten im Meer, genauso wie die Toten in unseren Städten und auf dem Land, sind nicht nur physischer Art sondern verkörpern die Gewalt, den Rassismus und Faschismus in dieser dunklen Zeit.

Wir schämen uns für die Heuchelei dieser Politik, den Lügen und der Schaffung eines Systems, welches früher schon nicht in Ordnung war. Heute hat es noch einiges mehr verkompliziert, so sehr, dass befürchtet werden muss, dass die Städte den Aufprall des sozialen Konflikts, der durch die Politik ausgelöst wird, nicht aushalten werden.

Ons, ein Opfer dieses Systems, konnte nicht gegen ihren Tumor ankämpfen, sie wurde im Meer begraben, ihre, und die Hoffnung ihrer Mutter, sind mit ihr versunken. Mit ihr ruhen auch Fatima, Hamdi, Mohamed, Akrerm, Dali, Oussema und Dris auf dem Meeresboden. Ein Meer, das wir mit der Zeit in eine Grabstätte verwandelt haben.

Wir werden immer versuchen die Aufmerksamkeit auf diese Massaker zu lenken, ohne uns jemals dem Hass zu ergeben, und die Wahrheit zu erzählen ohne die Zahlen zu verändern, die uns nicht interessieren, weil das Leben wertvoll ist, auch nur ein einzelnes.

Alberto Biondo
Borderline Sicilia

 

Übersetzung aus dem Italienischen von Angela La Cognata