Mare Jonio legt in Palermo an

Pressekonferenz „Mediterranea“ 16.10.2018  

Die Mitglieder der Initiative Mediterranea haben ihre erste Mission abgeschlossen und sind nach Palermo zurückgekehrt. Ihr Schiff „Mare Jonio“ bleibt für einige Tage im Hafen der Stadt, um Vorräte und Ausrüstung aufzustocken, die Mannschaft abzulösen und dann schnellstmöglich wieder in See zu stechen. „Die Bilanz der ersten Tage ist extrem positiv, unsere Intuition hat sich als richtig erwiesen“, erklärt Alessandra Sciurba im Rückblick auf die ersten 12 Einsatztage der Mare Jonio.

Bürgermeister Leoluca Orlando macht deutlich, dass die gesamte Stadt „mit an Bord“ sei. „Denen, die mich fragen, wie viele Migranten es in Palermo gibt, antworte ich: Keinen einzigen – wer nach Palermo kommt, ist Palermitaner!“

Erasmo Palazzotto, Abgeordneter des italienischen Repräsentantenhauses und Unterstützer von Mediterranea“erklärt, inwiefern die Initiative die europäischen Regierungen vor eine Herausforderung stellt. „Wir mussten miterleben, wie die Frage der Seenotrettung zu einer bürokratischen Angelegenheit verkommen ist, bei der es nur darum geht, ob ein Schiffbruch sich innerhalb der pedantisch abgezirkelten Grenzen der eigenen Save-And-Rescue-Zone ereignet oder doch eine Seemeile weiter südlich. Dem gegenüber zählen die Personen auf den Booten in Not gar nichts.“

Sea Watch-Sprecherin Giorgia Linardi meint, dass das Retten von Menschen im Angesicht der Gefahr eine selbstverständliche, fast automatische Geste sei. „Ich glaube wirklich daran, dass wer auch immer eine im Ertrinken begriffene Person vor sich hat, eine helfende Hand ausstreckt, ganz automatisch, als würden sich die Muskeln von allein bewegen. Auf offener See werden keine politischen Fragestellungen erörtert. Auf offener See werden Menschenleben gerettet und in sichere Häfen gebracht.”

Auch Marta, eine 26 Jahre junge Jura-Absolventin und Aktivistin aus Rom kommt zu Wort. Sie berät Migrant*innen und stellt denen, die für ein würdiges Leben kämpfen, juristischen Beistand zur Verfügung. Bei Mediterranea mitzuwirken sei nicht nur um der Geretteten willen wichtig, sondern auch für die Beteiligten selbst. „Wir fahren aufs Meer, um uns gegen die widerlichen Dinge zu wehren, die Tag für Tag vor unser aller Augen passieren.“

Die Welle der Solidaritätsbekundungen mit Mediterranea hat innerhalb der Crowdfunding-Kampagne schon 150.000€ zusammengebracht (Stand 16.10.), erzählt Luca Casarini. Dann berichtet er von der Nacht des 12. Oktober, in der die Besatzung der Mare Jonio eine Navtext-Nachricht erhielt: In maltesischen Gewässern waren 70 Personen an Bord eines Schlauchboots in Seenot geraten. Rom und Valletta spielten eine Zeit lang die Verantwortlichkeiten hin und her. Erst auf das hartnäckige Drängen der Mare Jonio hin schritt die italienische Küstenwache ein und brachte die geretteten Personen nach Lampedusa. „Als wir hörten, dass diese 70 Menschen in Sicherheit gebracht werden konnten, war es, als würde das Meer uns anlächeln.“

„Das Risiko, nicht an diesem Projekt mitzuwirken, war höher als das der Teilnahme”, sagt Claudio Arestivo vom interkulturellen Restaurant und Sozialzentrum Moltivolti in Palermo. „Anderer Menschen Rechte zu schützen hat nicht mit Links oder Rechts, Katholisch oder Atheistisch zu tun, sondern ist einfach menschlich.“ Auch der Vorsitzende des städtischen Kulturrats Ouattara Ibrahima Kobena und die Schriftstellerin Evelina Santangelo vom Kollektiv Corpi kommen im Rahmen der Pressekonferenz zu Wort. 

Giulia Antonelli

borderline-europe

Aus dem Italienischen übersetzt von Laura Strack