Portopalo: CAS für unbegleitete Minderjährige vor dem Kollaps. Die Erzählung eines jungen Bewohners

Das CAS (centro di accoglienza straordinaria, außerordentliches
Aufnahmezentrum) für unbegleitete Minderjährige „Villa Montevago“ in
Caltagirone hat am Freitagabend die Türen geschlossen. Die Jugendlichen sind
wieder dem CAS von Ispica zugeteilt worden (63 von ihnen), sowie dem in
Portopalo von Capo Passero in der Provinz Siracusa, wohin 29 Jugendliche
geschickt wurden, zusätzlich zu den 44 bereits im ehemaligen B&B „Aloha“
Untergebrachten. Die neu Angekommenen sind alle aus Mali, wie sich im Gespräch
mit einem Jungen aus Gambia herausstellt, der schon seit zwei Monaten im
Zentrum lebt. Es handelt sich um einen weiteren Schritt des Übergangs, von
einem Sonderunterbringungszentrum ins nächste, immer darauf wartend in ein
Sprar-Zentrum versetzt zu werden, oder in eine spezielle Einrichtung, und die
Dokumente zu erhalten, die ihnen den Beginn eines neuen Lebens erlauben.

Die Ungeduld durch das ermüdende Warten spiegelt
sich in den Gesichtern der jungen Afrikaner wieder, die sich auf den Balkonen
zeigen und sich an die Tore klammern. Mir wird durch die Art, in der sie mich
ansehen, als ich mich dem Eingang nähere, bewusst, dass sie mit mir sprechen
wollen.

Ich überquere den kleinen Hof und trete in das
Zimmer ein, das der Aufenthaltsraum sein müsste: einige Jugendliche liegen auf
den Sofas, andere halten sich vor dem Fernseher auf oder unterhalten sich mit
einer Partie Billard. Ich gehe weiter in ein kleines Zimmer mit Hochbetten, die
Hitze ist erdrückend, und zwei Angestellte, sofort bereit mich zu empfangen,
leiten mich in ein anderes Zimmer, das auf den ersten Blick wie ein Büro
aussieht. Als ich beginne mit dem Arzt des Notdienstes von Portopalo zu
sprechen, der seit Mai gemeinsam mit einer Ärztin des Asp (örtlicher
Gesundheitsdienst) die medizinische Versorgung der Migranten des Zentrums
sicherstellt, erfahre ich, dass das Büro auch als Krankenstation fungiert.
Tatsächlich bemerke ich in einer Ecke einen Schrank für Medikamente, aber es
gibt keine Liegen für die Untersuchungen. Der Arzt bestätigt mir die
Unangemessenheit der Einrichtung, zählt detailliert die hauptsächlichen
Probleme auf, allen voran die Verspätung der Zahlungen, die an die Einrichtung
gehen. Die Angestellten, im Moment acht in Portopalo, erhalten kein regelmäßiges
Gehalt und der Mangel an finanziellen Mitteln trägt nicht dazu bei, dass die
Minderjährigen, alle theoretisch im Kindesalter, Laboruntersuchungen erhalten,
die eventuelle Krankheiten offenbaren könnten, und die, wie er hervorhebt,
nicht immer bei der Sichtung im Moment der Anlandung ausgeschlossen würden. Der
Arzt fügt hinzu, dass er mehrere Male Anfragen gestellt hätte, die
Minderjährigen zahnärztlich und augenärztlich untersuchen zu lassen, aber nie
eine Antwort bekommen hat.

„Das Zentrum steht vor dem Kollaps“, erzählt er
mir. „Die Jugendlichen, 73 insgesamt, sind auf acht Zimmer aufgeteilt, mit nur
einem Bad für sieben/acht Personen und sie fühlen sich veräppelt. Sie
informieren sich über soziale Netzwerke, wissen, dass sie hier nicht länger als
drei Tage bleiben sollten, aber einige sind hier schon seit drei Monaten. Sie
möchten zur Schule gehen, sie brauchen die Möglichkeit ihr Leben zu leben.“ Die
Sprar-Zentren von Rom und Bologna seien mehrmals von den Verantwortlichen des
Zentrums kontaktiert worden, aber bisher hätte keines sich bereit erklärt, die
Überstellung durchzuführen, geschweige denn Informationen über einen Zeitpunkt
dafür zu geben. Der Arzt stellt außerdem das Fehlen eines Aufnahmeplans
zwischen den Einrichtungen für Minderjährige in Augusta und Portopalo heraus,
die Kommissariate derselben Provinz sind.

Nach diesem langen Gespräch verlasse ich das
Zentrum und höre eine Stimme, die nach mir ruft. Ein Junge holt mich ein,
rennend, mit großen braunen Augen und einem Lächeln auf den Lippen. Er fragt
mich, ob wir uns unterhalten können und ob er mir das Meer zeigen könne; er
spricht ein perfektes Englisch. Wir machen uns auf den Weg zum Strand und er
erzählt mir gleich, dass er es müde sei, nur zu essen und zu schlafen. Er
brauche einen Freund, aber sobald er versuche, jemanden auf der Straße
anzusprechen, ernte er nur schlechte Worte.
Er erzählt mir, dass er sein Zuhause vor fünf Monaten verlassen hätte,
sein Vater wollte für ihn ein besseres Leben, weit weg von der Diktatur. Er hat
nur einmal mit seinen Eltern telefonieren können, seitdem er hier angekommen
ist. Nachdem er im Senegal gearbeitet hatte, um ein bisschen Geld beiseite zu
legen, hat er die Sahara auf einem Pick-Up durchquert. Er sieht einen solchen
am Rand der Straße stehen und zeigt auf ihn: „Damit bin ich in Libyen
angekommen, vier Personen auf dem Vordersitz, neun auf dem hinteren Sitz und sechsundzwanzig
im Kofferraum. Es war schrecklich, aber wir konnten uns nicht dagegen wehren.“
In Libyen angekommen hat er 1100 Euro für die Überfahrt bis Italien bezahlt,
während der er seinen liebsten Freund hat sterben sehen, um dann in Catania
anzukommen und direkt nach Portopalo gebracht zu werden. Es sind seitdem zwei
Monate vergangen und er hat immer noch keine Antwort auf das Ansuchen um
Aufenthaltsdokumente erhalten.„Ich bin traurig, aber auch glücklich über die
Möglichkeit, die ich habe, ein besseres Leben zu haben“, sagt er zu mir, als
wir zum Zentrum zurückkehren, „ich versuche, nicht wütend zu werden und zu
warten, dass die Dinge ihren Lauf nehmen.“

Wir verabschieden uns. Plötzlich dreht er sich noch
einmal um und ruft: „Good luck Beatrice, thank you.“ Beatrice Gornati, Borderline Sicilia

Aus
dem Italienischen von Philine Seydel