Newsletter BORDERLINESICILIA – Juni 2018

  • Der Fall Aquarius und die Schließung der italienischen Häfen für NGO-Schiffe
  • Gewalt an den Grenzen und das neofaschistische Abdriften
  • Die Verantwortung der italienischen Regierung für den Anstieg der Todesfälle im Mittelmeer

DER FALL AQUARIUS UND DIE SCHLIESSUNG DER ITALIENISCHEN HÄFEN FÜR NGO-SCHIFFE

Drei Tage hingen das Schiff Aquarius und die 629 in internationalen Gewässern geretteten Migrant*innen an Bord ab dem 10. Juni auf dem Mittelmeer fest. Vergeblich wartete man auf die Zuweisung eines Landehafens. Während der Zustand der Personen an Bord sich mit jeder Stunde verschlechterte, stritten sich Staaten und Behörden einmal mehr um die Verantwortung für die Anzeige eines sicheren Landehafens: Als Italien sich beharrlich weigerte, einen seiner Häfen für die Landung der Migrant*innen zu öffnen, wurden vonseiten der Zivilgesellschaft und der humanitären Organisationen Rufe nach einer sofortigen Wiederöffnung der Häfen laut. Die Maßnahme der Hafenschließungen entbehrt jeder juristischen Grundlage und steht zu den Konventionen, die das Seerecht und die Seenotrettung regeln, sowie zu den internationalen Asylrechtsnormen in scharfem Widerspruch.

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GEWALT AN DEN GRENZEN UND DAS NEOFASCHISTISCHE ABDRIFTEN

Die Amtseinsetzung der neuen Regierung hat einer im Vorfeld angekündigten Politik neofaschistischer Prägung den Weg bereitet, die nicht konforme Stimmen sofort unterdrückt oder diffamiert. Die von Regierungsvertreter*innen angewandte verbale Gewalt drückt sich auch in der Durchsetzung von Richtlinien aus, die die Handlungsmacht der öffentlichen Verwaltung einschränken. Dies gilt zum Beispiel für die interne Direktive der nationalen Asylkommission, die ein Präjudiz für den Umgang mit Bürger*innen tunesischer Staatsangehörigkeit schafft, obwohl damit dem Grundprinzip des individuellen Zugangs zum internationalen Schutz Hohn gesprochen wird. Die Politik der kollektiven Abschiebungen zeigt sich auch an Orten wie dem Hotspot von Lampedusa: Hier wurden in diesen Jahren immer wieder Personen unter hygienisch und sanitär äußerst prekären Bedingungen, in überfüllten Räumen und Konstellationen der gemischten Unterbringung von Frauen, Männern und Kindern viel länger als erlaubt festgehalten, um schließlich doch aus Italien abgeschoben zu werden. Männer, Frauen und Kinder fielen Gewalttaten und Misshandlungen durch Polizeibeamte zum Opfer. Derartige Missbrauchsfälle durch die italienischen Behörden wurden dem Europäischen Gerichtshof wohl nicht zufällig von tunesischen Staatsbürger*innen angezeigt.

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DIE VERANTWORTUNG DER ITALIENISCHEN REGIERUNG FÜR DEN ANSTIEG DER TODESFÄLLE IM MITTELMEER

Durch ihre Entscheidung, den NGOs die Einfahrt in italienische Häfen zu verweigern, verstößt Italien nicht nur gegen Normen des nationalen und internationalen Rechts, sondern zieht zudem die unmittelbare Verantwortung für den Anstieg der Todesfälle im Mittelmeer auf sich, der bereits nach dem ersten Monat der Lega-Fünf-Sterne-Koalition erkennbar wurde. Nicht zuletzt führt diese blinde und erbarmungslose Abweisungspolitik zu paradoxen finanziellen Aufwendungen, wie zum Beispiel die Kosten für die Überführung der Aquarius in den Hafen von Valencia. Brüssel hat beschlossen, die Mittel für die Verwaltung der Migrationsströme zu verdreifachen, was unweigerlich zu einer noch stärkeren Militarisierung und Kontrolle der Grenzen führen wird. Die Konsequenz dieser neuen politischen Linie drückte sich am 24. Juni in einer Inszenierung des Innenministeriums aus, das, in den Worten des Missionsleiters von Open Arms, 10 verlorene Leben und 120 Vermisste in Kauf nahm, um die ‚Effizienz‘ der libyschen Küstenwache zu beweisen.

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Aus dem Italienischen übersetzt von Laura Strack