102 Flüchtlinge sitzen auf Tanker vor Malta fest

Pro Asyl – Der Tanker „Salamis“ hat bei einer Rettungsaktion nahe der
libyschen Küste 102 Flüchtlinge aufgenommen. Doch Malta und Italien
weigern sich, die vermutlich aus Eritrea und Äthiopien stammenden
Bootsflüchtlinge aufzunehmen, obwohl sie dazu nach internationalem Recht
verpflichtet sind. PRO ASYL fordert die EU auf, die Aufnahme der
geretteten Bootsflüchtlinge in einem sicheren Hafen in Europa zu
gewährleisten.

In der Nacht von Sonntag auf Montag rettete die Crew der „Salamis“
102 Flüchtlinge aus Seenot. Die italienischen Seenotrettungsbehörden
hatten das Schiff über den Aufenthaltsort der Schiffbrüchigen informiert
und um deren Rettung angesucht. Während die italienischen Behörden das
Schiff anwiesen, die Flüchtlinge „in einen sicheren Hafen“ in Libyen
zurückzubringen, nahm der Tanker Kurs auf Malta, wird vom maltesischen
Militär jedoch an der Einfahrt in maltesische Gewässer gehindert. Die
Schiffbrüchigen, darunter 20 Frauen und ein Baby, sitzen auf dem
Tankschiff fest. Ihre Lage ist prekär, einige benötigen medizinische
Hilfe.

Das Internationale Übereinkommen von 1979 über den Such- und
Rettungsdienst auf See (SAR) verpflichtet Schiffcrews, gerettete
Flüchtlinge „an einen sicheren Ort“ zu bringen. Im Annex der Konvention
heißt es, der nächste sichere Hafen könne nicht allein geografisch
bestimmt werden. Gerettete Asylsuchende und Flüchtlinge dürften nicht an
einen Ort gebracht werden, an dem ihr Leben und ihre Freiheit in Gefahr
seien. Die Internationale Meeresorganisation (IMO) betont ausdrücklich:
Bei der Suche nach einem sicheren Ort muss berücksichtigt werden, ob
den Geretteten dort Gefahren für Leib und Leben drohen, weil sie von
Verfolgung bedroht sind (Maritime Safety Committee, Resolution
MSC.167(78), 6.17. In Libyen drohen Flüchtlingen schwere
Menschenrechtsverletzungen, ein funktionierendes Asylsystem, das
Flüchtlingen Schutz bietet, existiert nicht.

Die Anweisung der italienischen Behörden, das Schiff solle die
Schutzsuchenden nach Libyen zurückbringen, kommt angesichts der
Situation von Flüchtlingen in Libyen einem Versuch gleich, die
Schutzsuchenden unter Missachtung des sogenannten Refoulement-Verbots
von einem Handelsschiff völkerrechtswidrig zurückzuschieben zu lassen.
Nach Informationen von Malta Today wurden bereits Flüchtlinge, die in
derselben Nacht von einem türkischen Schiff gerettet worden waren, von
diesem auf Anweisung Italiens nach Tripolis zurückgeschoben.

Erneut wird auf dem Rücken von aus Seenot geretteten Flüchtlingen ein
zynischer europäischer Machtkonflikt ausgetragen, bei dem die
Menschlichkeit gegenüber 102 schutzbedürftigen Männern, Frauen und
Kindern auf der Strecke bleibt. Ihr Leben, ihre körperliche
Unversehrtheit spielen bei dieser militärischen Blockade in den
internationalen Gewässern vor Malta keine Rolle. PRO ASYL stellt fest:
Es gibt keinen „sicheren Hafen“ für Flüchtlinge in Libyen. Auch nach der
Gaddafi- Ära sind Schutzsuchende dort schweren
Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Sollten europäische Staaten den
Tanker zur Rückkehr nach Libyen zwingen, werden die Menschen- und
Flüchtlingsrechte der Geretteten verletzt.

Der harsche Umgang mit dem Schiff und der Crew der Salamis soll eine
abschreckende Wirkung erzielen. In diesem Seegebiet sind in den letzten
beiden Jahren circa 3000 Bootsflüchtlinge ertrunken. In zahlreichen
dokumentierten Fällen, weil Polizei-, Militär- und kommerzielle Schiffe
die Seenotrettung verweigert hatten. Das militärische Drohszenario
gegenüber des Tankers Salamis sendet erneut eine fatale Botschaft an
andere Schiffsbesetzungen aus: Schaut weg, fahrt weiter und erspart Euch
die Probleme im Umgang mit Schiffsbrüchigen.

Ein Ende der europäischen Gleichgültigkeit gegenüber dem
tausendfachen Sterben würde in einem ersten Schritt bedeuten, eine
gemeinsame Aufnahmepolitik für Bootsflüchtlinge zu entwickeln und der
völkerrechtswidrigen Zurückweisungspolitik nach Libyen eine klare Absage
zu erteilen.

Mehr Infos unter:

Malta Today: “Malta, Italy bide their time as conditions on the Salamis worsen”
Malta Today: “Tanker carrying migrants denies it was instructed to head to Libya”
Commissioner Cecilia Malmström urges the Maltese authorities to take action
Erklärung maltesischer NGOs: “Preservation of life should be the top-most priority” (PDF)
Statement des Netzwerks “Welcome to Europe“
PRO ASYL: “Flüchtlinge in Seenot – Handeln und Helfen” (PDF)