Caltanissetta: Ärzte ohne Grenzen intervenieren in den Feldlagern von Pian del Lago

In
diesen Tagen haben wir viel Zeit mit den Menschen verbracht, die in
den Feldlagern von Caltanissetta leben, und wir hatten die
Möglichkeit, sie besser kennenzulernen. Wie haben ungefähr 160
Personen gezählt; alle Männer stammen aus Pakistan, Bangladesch,
Afghanistan. Das Durchschnittsalter liegt bei dreißig Jahren, aber
es gibt einige kaum volljährige Jugendliche und einige erwachsene
Männer über 50 Jahre.

Um
die Würde dieser Personen ist es so bestellt, dass sie sich immer
noch im Freien waschen müssen und eine Lungenentzündung riskieren.
Sie waschen weiterhin ihre Kleider, auch wenn das Aufhängen und
Trocknen wegen des häufigen Regens und der Kälte, die jetzt keine
Atempause mehr lassen, zum Problem geworden ist.

Am
Samstagvormittag haben wir das Team von „Ärzte ohne Grenzen“ in
das Feldlager begleitet, das sich vor dem Stadion von Caltanissetta
befindet. Außer der herzlichen und respektvollen Begrüßung, die
sie ihnen bereitet haben, haben sich viele Jugendliche spontan in
Bewegung gesetzt, um ihnen beim Aufbau der Zelte zu helfen und zu
kochen. Ein Willkommen, das auch wir gut kennen; und in diesem
Zusammenhang fragen wir uns, wer diejenigen waren, von denen die
Journalistin von RAI Parlamento in ihrer Dokumentation spricht, die
sie kürzlich über das staatliche Lager von Pian del Lago gemacht
haben und die auch den Besuch in diesem Feldlager einschließt.
Tatsächlich wird an einem bestimmten Punkt der Dokumentation
erzählt, dass das Fernsehteam von Personen umzingelt worden ist, die
Geld verlangt haben, in einer so beunruhigenden Situation, die das
Fernsehteam dazu gedrängt hat, nach draußen wegzulaufen. Seit circa
zwei Monaten gehe ich jetzt mehr oder weniger wöchentlich in die
verschiedenen Feldlager und meistens bin ich nur mit ein oder zwei
Freiwilligen hinein gegangen, die mich im Auto begleitet haben.
(Darum ist es gut, immer wieder zu erwähnen, dass dieses Gebiet
ungefähr 5 Kilometer vom Zentrum entfernt liegt und von keinem
öffentlichen Verkehrsmittel bedient wird.) Es ist nie vorgekommen,
dass einige der Personen, die dort wohnen, uns bedrohend umzingelt
und Geld von uns verlangt hätten, und niemals haben wir irgendein
Gefühl von Gefahr verspürt. Ich frage mich daher, was an dem Tag
passiert ist, als „das Fernsehen“ ankam, weil, was unsere
Erfahrung betrifft, der Dienst von RAI Parlamento von einer Situation
und von Personen spricht, denen wir in keinem der drei Feldlager
begegnet sind, die wir regelmäßig besuchen. Im Gegenteil, obwohl
diese Personen unter unmenschlichen Bedingungen leben, haben sie uns
immer mit Höflichkeit, Respekt und Zurückhaltung begrüßt, und sie
haben sich immer bereit gezeigt, uns einen Tee anzubieten oder ihr
Essen mit uns zuteilen… So, wie sie es dieses Wochenende mit dem
Team von „Ärzte ohne Grenzen“ gemacht haben.

Die
Arbeit von „Ärzte ohne Grenzen“ ging das ganze Wochenende
ununterbrochen voran, um all jenen, die sich der Untersuchung
unterzogen haben (ca. 92 Personen), die allgemeine Reihenuntersuchung
sicher zu stellen. Im Hinblick auf die nahe Eingliederung dieser
Personen in Einrichtungen, die kürzlich von der Präfektur ermittelt
wurden, wird sich dieses Screening als noch wertvoller erweisen, weil
es wahrscheinlich ist, dass Monate vergehen werden, bevor die Lager,
die für die Aufnahme behelfsmäßig hergerichtet wurden, in der Lage
sein werden, die Untersuchung für alle Gäste zu gewährleisten.
„Ärzte ohne Grenzen“ hat darüber hinaus jeder untersuchten
Person eine Karte überlassen, auf der die festgestellten Krankheiten
festgehalten sind: Dies wird die unverzügliche Aufnahme der
Verantwortung seitens der Lagerverwalter erleichtern und die
angemessene gesundheitliche Versorgung für denjenigen, der besondere
Krankheiten aufweist, sicherstellen. Ferner war es im Verlauf des
Screening möglich, sieben besonders problematische Fälle zu
identifizieren, die dank der Zusammenarbeit vonseiten der Präfektur
schon am nächsten Tag in angemessenen Einrichtungen untergebracht
wurden.

Die
Präfektur ist in diesen Tagen weiterhin dabei, die Vereinbarungen
mit den Verwaltern der verschiedenen Lager zu unterzeichnen, die
Verfügbarkeit signalisiert haben, und man hofft, dass im Verlauf der
nächsten zwei bis drei Wochen alle Personen, die im Augenblick
draußen leben, eine Unterkunft finden.

Es
kann nicht sein, dass es so ist!!! Diese Situation ist nicht
akzeptabel, darüber hinaus ist sie jetzt unerträglich geworden.
Nachts können diese Menschen wegen der Kälte nicht mehr schlafen.
In dem kleinsten der Lager, das nur aus einem Zelt besteht, in dem 11
Personen afghanischer und pakistanischer Nationalität leben, halten
sie das Feuer in einem Kohlebecken am Brennen, um sich zu wärmen. Es
ist äußerst gefährlich, aber sie sagen mir, dass dies die einzige
Möglichkeit sei, dem Risiko zu entgehen, durch Erfrieren zu sterben…
Darum machen sie nur von der Vorsichtsmaßnahme Gebrauch, das Feuer
vor dem Einschlafen zu löschen. Dies ist die beschränkte Situation,
in der diese Personen gezwungen sind für Monate zu leben… nur
damit sie sehen können, dass ihr Recht, Schutz zu beantragen,
anerkannt wird.

Im
Allgemeinen ist der Gesundheitszustand dieser Personen ausreichend,
aber sowohl physisch wie auch psychisch stark von diesem
erschöpfenden Aufenthalt im Feldlager gezeichnet. Nur für zwei der
untersuchten Personen war es notwendig, den Krankenwagen zu rufen, um
Abklärungen machen zu können, aber sie wurden dann am nächsten Tag
mit einer letztlich unbedeutenden Diagnose entlassen. Vergangenen
Freitag mussten auch wir die Ambulanz wegen eines Jugendlichen rufen,
der einen um sich selbst total verdrehten Arm hatte und der,
vielleicht wegen der Schmerzen, auch Fieber hatte.

Montagmorgen
haben wir die Delegation von „Ärzte ohne Grenzen“ in das Lager
von Pian del Lago begleitet, um die Identifikation von 2 der sieben
schwereren Fälle, die noch auf der Liste für die Fotoerkennung
stehen, zu erleichtern und um den Zugang aller zu erleichtern.
Draußen vor dem Immigrationsbüro des Lagers Pian del Lago (das um
10:20 noch geschlossen war, obwohl es um 9:00 öffnen sollte)
warteten fast alle Männer aus den 3 Feldlagern, welche wie jeden
Montag, Mittwoch und Freitag da draußen waren und warteten, um in
die Liste eingetragen oder fotografiert zu werden und vor allem, in
das Aufnahmelager hineinzukommen.

Der
Einzug der von „Ärzte ohne Grenzen“ angezeigten 7 Personen wurde
von dem Großteil der Anwesenden gar nicht gut aufgenommen, die das
als Ungerechtigkeit erlebten. Trotz unserer Anstrengungen und der der
Migranten selbst, die mit uns ihren Landsleuten den Grund dieses
Zutritts erklärten, waren viele von ihnen dagegen. Sie sind schon zu
aufgebracht, um wem auch immer zu vertrauen und um zu verstehen, dass
es jemanden gibt, dem es schlechter gehen kann als ihnen, weil es
unter den Bedingungen, unter denen sie leben, unmöglich scheint,
dass es jemandem schlechter gehen kann. Die Angst, den Winter über
im Zeltlager verbringen zu müssen, ist zu groß; folglich haben sie,
obwohl wir ihnen auch von dem Bescheid von der bevorstehenden
Unterbringung in kürzlich bestimmte Einrichtungen berichtet haben,
beschlossen, auf jeden Fall zu protestieren und friedlich den Eingang
zum Lager blockiert. Bis schließlich ein Polizist herauskam, um die
Nachricht von den bevorstehenden Eintritten in die Lager, mit denen
die Präfektur in diesen Tagen Übereinkünfte unterzeichnet,
offiziell zu kommunizieren. Wenn auch mit Misstrauen, weil sie zu oft
gehört haben, dass der Eintritt um Tage und Wochen verschoben wurde,
ohne dafür eine Begründung zu haben, haben sie an diesem Punkt die
Blockade aufgehoben.

Giovanna
Vaccaro

Borderline
NGO

Aus
dem Italienischen von Rainer Grüber