Caltanissetta: Mutmaßlicher Schleuser tötet sich im Gefängnis

Giornale di Sicilia – von Donata Calabrese
CALTANISSETTA. Wieder ein
Selbstmord in den italienischen Gefängnissen. Im „Malaspina“ von
Caltanissetta hat sich ein inhaftierter Ägypter von 24 Jahren in seiner
Gefängniszelle mit den Schnürsenkeln seiner Schuhe erhängt. Mohuamed
Ahmad Mokhar war in der Zelle, weil er verdächtigt wurde, einer der
Schleuser zu sein, die am vergangenen 8. August an der Küste von
Pozzallo ein Boot mit 110 Migranten an Bord angelandet haben. Während
der Überfahrt starben zwei Pakistani, deren Leichen ins Meer geworfen
wurden. Der Ägypter und der Libyer wurden mit der Beschuldigung
festgenommen, eine kriminelle Vereinigung mit dem Ziel der Begünstigung
der illegalen Immigration gegründet zu haben, und die beiden
pakistanischen Migranten sterben gelassen zu haben. Der junge Mann wurde
Mitte August in die landesgerichtliche Strafanstalt in der Via Messina
überstellt und hat gegen 10 Uhr einen Selbstmordversuch unternommen.

Sofort wurde ihm von den Strafvollzugsbeamten geholfen, die den
aufgehängten Körper während ihres Aufsichtsdienstes in der Zelle
bemerkten, erste Hilfe leisteten und die Schlinge entfernten, die der
junge Mann sich um den Hals gewickelt hatte. Der junge Immigrant wurde
den Helfern des Notrufes überlassen, die alles taten, um ihn dem Tod zu
entreißen. Obwohl die Ärzte nach seinem Eintreffen im „Sant Elia“ alles
unternahmen, um ihn zu retten, hat er es nicht geschafft.

Kommentar von Fulvio Vassallo Paleologo:
Ein
ägyptischer Migrant, angeklagt ein Schleuser zu sein, hat Selbstmord
begangen, indem er sich im Gefängnis von Caltanissetta aufgehängt hat.
Auch ich fühle mich zum Teil schuldig; ich habe diese mühelose
Festsetzung der „mutmaßlichen Schlepper“ seit Monaten angeprangert und
doch ist es mir nicht gelungen zu vermeiden, dass diese Untersuchungen,
geführt mit zu viel Oberflächlichkeit und auf der Grundlage der ersten
Aussagen, erhoben von einigen benommenen Migranten sofort nach der
Anlandung, zu einer extremen Handlung des Protestes wie dieser geführt
haben. Jetzt werde ich keinen Frieden finden, bis alle Umstände dieser
Tragödie aufgeklärt sind und bis die zahlreichen Migranten, die in
informellen Zentren oder in den Zentren für Ersten Aufnahme und Hilfe,
wie dem von Pozzallo, interniert und für Tage isoliert sind, weil sie
verdächtigt werden, Schleuser zu sein, wieder frei gelassen oder, unter
Beachtung aller Zusicherungen, gerechten und zeitnahen Prozessen
unterzogen werden. Ich verlange ein sofortiges Einschreiten des
Bevollmächtigten für die Aufsicht über die Gefangenen (Art Ombudsmann)
Siziliens, den ich versuchen werde, morgen früh zu kontaktieren wegen
dieses Falles und der anderen, die angezeigt werden, und ich weise hin
auf ein Treffen aller Anwälte, die Fälle „mutmaßlicher Schleuser“
bearbeitet haben, für kommenden Montagnachmittag um 16:00 Uhr in
Caltanissetta, an einem Ort, den ich erst morgen Vormittag genau nennen
kann. In der Zwischenzeit soll heute Abend jeder, der kann, diese
Nachricht herumgehen lassen, um sofort einschreiten zu können, damit
nicht weitere Migranten, die den Untersuchungen der Polizei ausgesetzt
sind, weil sie angeklagt sind, Schleuser zu sein, diese Tat wiederholen.
Ich rufe auch den Bevollmächtigten für die Rechte Minderjähriger, Dr.
Spadafora, dazu auf zu intervenieren, um die Position der
minderjährigen mutmaßlichen Schleuser zu schützen, insbesondere des
jungen ägyptischen Schleusers, der in der Jugendhaftanstalt von Acireale
in Haft sitzt und der am vergangenen 15. August von dem ehrenwerten
Salvo Flores, dem Garanten für die Gefangenen Siziliens, besucht wurde.
Dieser fand ihn in einem Zustand extremer Niedergeschlagenheit vor. Man
weiß nichts von dem zweiten verhafteten Minderjährigen, hält auch ihn
für „Schleuser“, inhaftiert nach der Tragödie von Playa (Catania) am
vergangenen 10. August, man weiß nicht mal, ob er noch in Italien ist
oder ob er Opfer einer sofortigen Abschiebung geworden ist, die, falls
man sie verifizieren kann, auf Grund seiner Minderjährigkeit illegal
wäre. Und die Ägypter sind bis zum 21. Lebensjahr als Minderjährige
anzusehen, da sie erst zu diesem Zeitpunkt in ihrem Land volljährig
werden. Zumindest für jenen Teil der italienischen Rechtsprechung, für
den der Stand des Rechts wichtiger ist als die bilateralen Übereinkünfte
zur kollektiven Rückführung.

Fulvio Vassallo Paleologo, Universität von Palermo

Aus dem Italienischen von Rainer Grüber