Erlass zur Illegalisierung von Straßenhändlern in Palermo

Auf Erlass vom 3. Mai 2013 durch
Leoluca Orlando, dem Bürgermeister von Palermo, wurde in den
Hauptstraßen der Innenstadt und dem angrenzenden Außenbezirk
Mondello der Straßenhandel verboten. Diese Maßnahme stellt eine
indirekte Diskriminierung der Straßenhändler dar, die zum Großteil
Einwanderer mit Aufenthaltsgenehmigung und angemeldetem Gewerbe sind
und sich in Zukunft an der Ausübung ihrer Tätigkeit gehindert
fühlen. Zudem sehen sie sich verstärkt der Ermessensfreiheit der
Schutzpolizisten ausgeliefert. Viele der Straßenhändler befinden
sich damit in einer Situation, vergleichbar mit der des legal aus
Marokko eingewanderten Noureddine Adnanes. Durch wiederholte
Kontrollen war ihm die Ausübung seiner Tätigkeit als Straßenhändler
unmöglich gemacht worden, bis er sich gezwungen sah, sich selbst zu
anzuzünden. So machte er auf seine und die Situation aller
Straßenhändler aufmerksam.

Die von Orlando erlassene Verordnung
weist eindeutig unzulässige Konturen auf. Sicher wendet das Verbot
sich nicht, wie von einigen Journalisten behauptet, die wohl
beabsichtigten den diskriminierenden Unterton abzuschwächen, gegen
die Verkäufer der lokalen Spezialität „pani ca‘ meusa“, eine
palermitanische Spezilität, zu Deutsch: „Milz im Brot“.
Betrachtet man die Liste der Straßen, in denen der Erlass Anwendung
finden soll, werden die Adressaten deutlich. Betroffen sind eindeutig
die Einwanderer, die einem Gewerbe als „fliegende Händler“
nachgehen.

In Anbetracht der realen Notwendigkeit
die Zufahrt zu den großen Plätzen der Stadt zu garantieren, wird
eine Einschränkung des Straßenhandels seit längerem gefordert. Den
Anstoß für den Erlass gab die Anzeige einiger Bürger, die wegen
den zahlreichen Straßenhändlern in der Via Cavour, Via Spinuzza und
Via Volturno einen exzessiven Anstieg des Handels im öffentlichen
Raum gemeldet hatten. Die Verordnung wurde dann ohne Anhörung der
betroffenen Parteien und ohne weitere Begründung auch auf andere
Straßen in der Stadt und den Vorort Mondello ausgeweitet. Die
Begründungen bleiben entweder unausgesprochen oder sehr allgemein
und stammen vielleicht auch aus dem Stab der Schutzpolizei von
Palermo, die wohl auch für die Auflistung der Straßen zuständig
war, für die das Verbot eingeführt wurde.

Dass die Verordnung sich nicht direkt
an die eingewanderten Händler wendet und einen haltlosen
Zusammenhang zwischen Straßenhandel und schlechter Lebensqualität
und mangelnder Sicherheit in den ausgewiesenen Gebieten herstellt,
macht sie zum perfekten Beispiel für indirekte Diskriminierung. So
sei „die Einschränkung des Bereichs für Fußgänger
Taschendiebstählen und Raubüberfällen zuträglich und fördere das
Übertreten der Bürgersteige“. Als seien nicht gerade die
Straßenhändler häufig Opfer von Übergriffen durch Gruppen junger
Palermitaner und als würden die Straßenhändler die
Kleinkriminalität fördern. In einer Stadt wie Palermo, in der die
Plätze, vor allem Ballarò, Kalsa und Vucciria, auf denen täglich
Märkte abgehalten werden, so stark der Kontrolle der organisierten
Kriminalität unterliegen, dass sich nicht einmal Polizisten oder
Carabinieri (um gar nicht erst von den Schutzleuten zu sprechen)
trauen über die regulären Kontrollgänge hinaus aktiv zu werden,
wirkt diese Aussage geradezu lächerlich.

Im Ausschuss sind bereits
Unstimmigkeiten zu vernehmen und es scheint, als würde der Erlass
noch verändert werden. Sollte die aktuelle Form jedoch beibehalten
werden, gibt es sicherlich die nötigen Instrumente und zeitlichen
Vorgaben, um die Verordnung anzufechten. Ebenso ist es unbedingt
notwendig die Wogen zu glätten, um allen Beteiligten ihre Sicherheit
und Arbeit zu erhalten. Dazu ist es nötig endlich den
Ermessensspielraum, mit dem die Schutzpolizisten ihre Kontrollen
durchführen, einzuschränken. Sowohl für die Schutzleute, als für
die Straßenhändlern, als auch für alle anderen Bürger muss
Klarheit geschaffen werden.

Vor allem glauben wir, dass die Bürger
von Palermo, auch abseits von gesetzlichen Regelungen, Widerstand
gegen einen diskriminierenden Erlass leisten müssen, der nicht für
mehr Ordnung sorgt, sondern die Zahl der Übergriffe und Gewalttaten
gegen die Straßenhändler erhöhen wird und sie in ihrem Recht auf
Arbeit einschränkt. Mit der Durchsetzung des Verbots werden eine
steigende Anzahl von illegalisierten Händlern und der mögliche
Missbrauch von Gewerberäumen einhergehen. Sollte sich hier
tatsächlich ein Interessenkonflikt auftun, werden darunter nicht nur
die italienischen sondern auch die eingewanderten Händler leiden.

Fest steht: Palermo darf nicht diskriminieren!

Observatorium gegen Diskriminierung
“Noureddine Adnane”, Palermo


(Aus dem Italienischen von Svenja Laufhütte)