Identifikations- und Abschiebungszentren: Von Trapani und Milo bis Ponte Galeria, Schließung der völlig ungeeigneten Einrichtungen

MEDU – Rom, 28. Januar 2014 – Während im Identifikations- und Abschiebungszentrum (CIE, Centro di identificazione ed espulsione) Ponte Galeria in Rom 26 Migranten im Hungerstreik sind und 13 unter ihnen sich den Mund aus Protest gegen die unwürdigen Bedingungen in der Einrichtung und die übertrieben lange Dauer des Festgehaltenwerdens zugenäht haben, wird die Situation im CIE Trapani Milo immer kritischer.
Am Freitag, dem 24. Januar, hat eine Gruppe der Organisation „Ärzte für die Menschenrechte“ das CIE Trapani Milo besucht und dabei eine Situation am Rande des Zusammenbruchs angetroffen. Der Träger des Zentrums, das Konsortium Oasi, kann die Gehälter der eigenen Angestellten nicht mehr bezahlen. Deren Gehälter sind nur bis November gesichert und zwar nur dank der direkten Finanzierung durch die Präfektur. Aber auch die lebensnotwendigen Dienstleistungen und Güter können nicht mehr bezahlt werden. Im Zentrum fehlt es an Reinigungsmitteln, Papier und Stiften für die Angestellten.

Die Erstausstattung aus lebensnotwendigen Gütern und Unterwäsche für die ankommenden Migranten, die festgehalten werden, fehlt oder ist drastisch reduziert. Es gibt zudem einen gravierenden Mangel an Arzneimitteln und medizinischen Instrumenten, wie Insulinspritzen, während man einen Festgehaltenen, der ins Krankenhaus musste, gebeten hat, den Krankentransport selbst zu bezahlen.

In einer Einrichtung, in der vor allem Aufenthaltsräume und Freizeitaktivitäten fehlen, ist „die einzige Energie spendende Aktivität der Eingeschlossenen darüber nachzudenken, wie sie fliehen können“, wie ein Angestellter bestätigt. Seit Anfang 2013 bis heute wurden im Zentrum 1358 Personen festgehalten und gut 800 (ungefähr 60%) davon sind geflohen. Dem stehen 162 in die Heimat rückgeführte Migranten (12%) gegenüber, darunter 25 EU-Bürger. Die genauen Zahlen der letzten Flucht, die sich am Abend vor dem Besuch der MEDU ereignete, waren den Beschäftigten des Zentrums noch nicht bekannt.

Während des Besuchs der Gruppe des MEDU, die den eigentlichen Bereich, in dem die Migranten festgehalten werden, jedoch nicht betreten durfte, konnten direkte Gespräche mit einigen Migranten geführt werden und schwere Fälle und schwere psychische Beeinträchtigungen gefunden werden. Unter diesen ist ein 53jähriger tunesischer Staatsbürger, der sich in einem solch schlechten und psychisch labilen Zustand befindet, dass er sich nicht mehr um sich selbst kümmern kann. Der Migrant wurde, wie er mehrmals betonte, über eine Zeitspanne von „17 Monaten und 5 Stunden“ festgehalten, die letzten 11 Monate im CIE von Trapani und die restliche Zeit in einem anderen CIE. Die Ärzte von MEDU trafen auch auf einen 30jährigen tunesischen Staatsbürger mit einer schweren Funktionsbeeinträchtigung an drei Fingern der linken Hand, weswegen er auf die Hilfe der anderen Migranten bei alltäglichen Verrichtungen angewiesen ist. Während der drei Monate seiner Gefangenschaft hat er schon zwei Selbstmordversuche unternommen.

Zirka 62% der Inhaftierten erweisen sich Asylbewerber, darunter eine große Gruppe Gambier (78), die sofort nach der Ausschiffung in den ersten Januartagen in das CIE gebracht wurden. Für diese Zwangs-Migranten, die aus einem Land geflohen sind, das massiv gegen die Menschenrechte verstößt, hat das CIE widersinnigerweise die Funktion eines Aufnahmezentrums. Es beraubt die Menschen jeden Schutzes und nimmt ihnen völlig widerrechtlich die persönliche Freiheit.

Die massiven Kritikpunkte, die während des Besuch festgestellt wurden, bestätigen die des Berichts „Archipel CIE. Untersuchung über die italienischen Identifikations- und Abschiebungszentren“, der von MEDU im Mai 2013 veröffentlicht wurde:

Der Bericht beschreibt die offensichtliche Wirkungslosigkeit des CIE von Trapani, wie übrigens aller anderen Identifikations- und Abschiebungszentren, die weder die illegale Einwanderung verhindern, noch die Menschenwürde und Grundrechte garantieren. im Widerspruch stehen zur irregulären Einwanderung und Menschenwürde und Grundrechte garantieren. Die während des Besuchs erfassten offensichtlichen Mängel verdeutlichen noch einmal, in welchem Maße sich diese Zentren nicht nur als Reinfall im Hinblick auf ihren ursprünglichen Verwendungszweck erweisen, sondern dass sie auch in ihrer Funktion total ungeeignet sind, als Auffangbecken für soziale Ausgrenzung zu dienen.

MEDU fordert deswegen noch einmal:

  • die endgültige Schließung der 8 momentan nicht funktionsfähigen CIE, und der 5 weiteren noch aktiven – darunter Trapani Milo – aufgrund ihrer offensichtlichen strukturellen und funktionalen Unangemessenheit bezüglich Struktur und Funktion;
  • die Begrenzung des Festhaltens der Migranten zum Zwecke der Rückführung in die Heimat auf Ausnahmefälle bzw. auf eine sehr kleine Zahl
  • eine verbesserte Umgangsweise mit illegaler Einwanderung, die am Maßstab der Menschenrechte orientiert ist und an einer größeren Rationalität und Wirksamkeit (vgl. die Vorschläge von MEDU im Brecht „Arcipelago CIE“) im Rahmen einer tiefgreifenden Reform der Migrationspolitik und des aktuellen Einwanderungsgesetzes.

Aus dem Italienischen von Jutta Wohllaib