Im Zelt der Schande: 300 MigrantInnen zusammengedrängt auf dem Fußboden mit baufälligen sanitären Anlagen

Porto Empedocle
(AG) – Der Vizequestor von Agrigent war unmissverständlich: „Keinem
Journalisten ist es je erlaubt worden, dass Lager zu besuchen.“
Vielleicht, weil sich das in Frage stehende Lager im Kollaps
befindet, überfüllt bis zum Unwahrscheinlichen, voll mit 300
MigrantInnen, zusammengepresst wie Ölsardinen, zusammengedrängt im
großen Stall von Porto Empedocle. Ein Zelt, 40 mal 60 Meter, neben
dem Hafen, geführt von der Präfektur, in die Welt gesetzt als Ort
der Ruhe für eine erste Aufnahme, das heute Migranten für Tage,
Wochen, Monate zurückhält.
Fast alle sind Flüchtlinge des Krieges,
auf der Flucht aus Somalia und aus Eritrea, aus Libyen und aus Mali.
Sie kommen von Lampedusa oder landen nach Tagen der Überfahrt direkt
in Porto Empedocle. Alle in Erwartung des Status als politische
Flüchtlinge, hierher gezwungen, weil die anderen Lager voll sind.

Wir gehen heimlich hinein dank der
Freiwilligen des Zivilschutzes, überwinden Trupps der Carabinieri
und der Polizei, 20 Polizeibeamte, die das Zelt überwachen und
versuchen, Fluchten zu verhindern, die aber regelmäßig vorkommen.
In diesem Fall drücken die Polizisten ein Auge zu, weil man weiß,
dass die Migranten nach Nordeuropa gehen.

Die humanitären Mitarbeiter wollen uns
die Zustände des Empfangs zeigen, weil „die Menschen hier wie
Tiere leben, es ist eine Schande.“ Nicht nur Lampedusa schreit
Skandal. Vielleicht ist es in den südsizilianischen Lagern noch
schlimmer. Porto Empedocle, Pozzallo, Trapani, Mineo: Die
Einrichtungen explodieren. Die Migranten schlafen auf zerfetzten
Matratzen, auf der Erde ausgebreitet, keine Liege und kein Bett. Alle
aneinander geklebt. Man isst auf dem Bett oder auf der Erde. Es gibt
keine Trennwände, übelriechende Luft, die Stimmen der Gäste
verwickeln sich eine über die andere in einem nicht aufhörenden
Durcheinander. Die sanitären Anlagen – wenige für dreihundert
Personen – befinden sich in einem dramatischen Zustand: permanent
verstopfte Waschbecken, schmutzige Duschen, kaputte Türen, kein WC.

Im Lager auch Frauen und Minderjährige. Jemand hat eine
Hautentzündung, ein anderer hat Fieber. Der Arzt kommt auf Anruf,
aber er ist nicht immer verfügbar. Einige tragen die Zeichen der
Folter, die sie in Libyen erlitten haben. Es gibt auch einige
Überlebende des Schiffbruchs vom 3. Oktober. Viele ImmigrantInnen haben
nicht einmal ein Paar Schuhe an den Füßen. Und sie bitten: „Schuhe,
bitte Schuhe“. „Wir tun alles Mögliche, um dem Notstand zu
begegnen“, wiederholen die von der Präfektur. „Aber der Notstand
schreitet seit Jahren fort“, antworten die vom Zivilschutz, seitdem
nämlich das Zelt 2006 aufgestellt wurde.

Die Einwohner von Porto
Empedocle versuchen die institutionellen Defizite auszugleichen. Vor
kurzem haben sie ein Lamm gebracht. Einer schenkt Kleidung. Und dann
Kekse und Süßigkeiten, die die drei täglichen Mahlzeiten, die vom
Zivilschutz bereit-gestellt werden, ergänzen. Außerdem Decken. Im
Winter ist es kalt und es gibt keine Heizkörper, während die
Temperatur im Sommer auch bis auf 40 Grad steigt.

Im Zelt vergeht die
Zeit nie. Die Gäste spielen Fußball mit einem zerfledderten Ball,
der kaum hüpft, oder sie schlafen. Manchmal eskaliert die
Unduldsamkeit des Wartens in interne Handgreiflichkeiten. Die
Beziehungen zwischen den Freiwilligen und den ImmigrantInnen sind
bestens, aber es muss schwierig sein, hier zu leben, in diesem
lärmenden Bienenstock, der von menschlicher Hoffnung überfließt.

Von Jacopo Storni

(Aus dem Italienischen von Rainer
Grüber)