Missbrauch an Unbegleiteten Minderjährigen: “Von mir aus kannst Du Blut spucken“

LiveSiciliaCatania – Mascali – Die Erstaufnahme von Ausländern ist mittlerweile zum Big Business geworden, meistens sind es unbegleitete Minderjährige, mit denen Geschäfte gemacht werden. Heute ist bekannt geworden, dass das Augenmerk der Operation „Camaleonte“ auf ihnen liegen wird. Der Staatsanwalt hat auf Anfrage des Polizeipräsidiums angeordnet, Giovanni Pellizzeri (56), Angestellter der lokalen Gesundheitsbehörde und zuletzt Bürgermeisterkandidat in Mascali, und seinen Sohn Mario Pellizzeri (29), sowie Isabella Vitale (48), die rechte Hand des Unternehmers, in Untersuchungshaft zu nehmen. Ihnen werden Korruption, Körperverletzung und Urkundenfälschung im Amt vorgeworfen.

Dass hinter den Kooperativen, die für den Betrieb von Aufnahmeeinrichtungen in Mascali und Giarre verantwortlich sind, etwas Anderes stecke, kam durch besorgniserregende Tatsachen zu Tage.

So zum Beispiel lief bereits im Jahr 2014 gegen Mario Pellizzeri und einen weiteren Mitarbeiter der Aufnahmeeinrichtung für unbegleitete Minderjährige namens Esperanza ein Ermittlungsverfahren. Dort ging es um zunächst um versuchten Totschlag, später wurde gegen beide wegen schwerer Körperverletzung zulasten eines Heimbewohners ermittelt. Der verletzte Heimbewohner, ein junger Nigerianer, hatte sich beschwert, weil seine Aufenthaltserlaubnis mit Verzögerungen seitens der Behörden erlassen worden war. Wenige Monate zuvor hatte Salvatore Iervolino, ein Sonderkommissar der gemeindlichen Aufnahmeeinrichtung Bonaventura in Giarre, im Polizeipräsidium von Catania eine Anzeige eingereicht. Bei den Vergabeverfahren einiger Ladenlokale in einem Gebäude der Via De Gasperi an die Kooperative Ambiente e Benessere aus Mascali war es zu Unregelmäßigkeiten gekommen. Die Kooperative war auf Giovanni Pellizzeri zurückzuführen.
2015 hingegen war ein Handy-Video erschienen, indem ein heftiger Streit aufgezeichnet warzwischen den Bewohner*innen der Einrichtung in der Via De Gasperi, die von der Kooperative Ambiente e Benessere aus Mascali geleitet wird. Es zeigt, wie sich drei Bewohner gegenseitig mit Stühlen und Stöcken schlagen, ohne dass seitens der Beschäftigten der Einrichtung eingegriffen wurde.
Im gleichen Jahr hatte das Sozialamt einen unangekündigten Besuch in einer weiteren, von Giovanni Pellizzeri durch die Kooperative Esperanza aus Mascali betriebenen Unterkunft abgestattet, diesmal in der via Paoli in Sant’Alfio. Es wurden gewichtige hygienische Mängel der sanitären Anlagen festgestellt. Das war allerdings nicht alles, was die Beamten in dem kleinen Ort am Fuße des Ätna vorfanden. Trotz der dortigen strengen Temperaturen verfügten die Bewohner*innen weder über wintergerechte Kleidung noch über angemessene Schlafdecken. Im darauffolgenden Jahr wurde die Einrichtung wegen Entziehung der Erlaubnis geschlossen.

Save the Children hatte im Jahr 2014 der örtlichen Polizei schwere Vernachlässigungen in den Einrichtungen für unbegleitete Minderjährige mitgeteilt. Zuvor war die Polizei eigenständig tätig geworden und Abhörgeräte in den Häusern installiert, nachdem sich einige Gewaltakte ereignet hatten. Die Aufzeichnung zeigen, wie erheblich die Gewalt gegen Minderjährige war. „Schweine“ und „Zigeuner“ waren übliche Namen, mit denen Giovanni Pellizzeri und Isabella Vitale die Einrichtungsbewohner*innen versahen. Auch gegenüber einfachen Bedürfnissen der Bewohner*innen wie Medikamente zeigten die Angeschuldigten ihre Missachtung. „Generika ja, aber nicht diese hier. Auf keinen Fall. Von mir aus kannst Du auch Blut spucken!“, sind einige der Bemerkungen, die aufgezeichnet wurden. Hinzu kam, dass die jungen Menschen den Weg zur Schule von Sant‘ Alfio bis nach Giarre, ca. 15 km, zu Fuß ablegen mussten, weil für sie kein Verkehrsmittel zur Verfügung gestellt wurde.

Unter den 10 Angeschuldigten, gegen die Ermittlungen in Gange sind, sind auch zwei kommunale Angestellte. Einer aus Catania, der bereits pensioniert ist. Eine andere aus Sant’Alfio, für die ein Berufsverbot beantragt worden ist. Aus den Ermittlungen ergibt sich, dass Ersterer gegen Zahlungen Minderjährige in die besagten Zentren von Pellizzeri entsendet habe, obwohl er von den illegalen Verfahren in den Einrichtungen wusste. Er habe sich sogar gegen die Schließung der Einrichtungen eingesetzt, auch wenn diese über keinerlei Genehmigungen verfügten und die Minimalanforderungen der Aufnahme nicht erfüllten. Die noch tätige Beamtin aus dem Bauamt von Sant’Alfio soll hingegen ein positives Gutachten erstellt haben, das für den Erlass der Genehmigung erforderlich war. Dabei handelte es sich offensichtlich um eine materielle wie gedankliche Falschbeurkundung.

Maria Bella

Übersetzung aus dem Italienischen von Alma Maggiore