Besuch bei der Sprar-Einrichtung von Vizzini: Eine Aufnahme, die sich ihren Weg durch die bürokratischen Hürden verschafft

Die SPRAR-Einrichtung (sistema di protezione per richiedenti asilo e rifugiati: Schutzsystem für Asylbewerber und Flüchtlinge)
von Vizzini, dem Geburtsort von Giovanni Verga in der Provinz von Catania, ist 2009 in einer Einrichtung unweit vom Zentrum
neben dem Sportplatz eröffnet worden. Verantwortlich für Projekt ist die
Gemeinde Vizzini, während es von der Kooperative Sol Calatino verwaltet wird.
Letztgenannte kümmert sich wiederum auch
um andere SPRAR-Einrichtungen in der Gegend von Catania: Mineo, die nicht zu verwechseln
ist mit der gleichnamigen CARA-Einrichtung (Centro di accoglienza richiedenti asilo
– Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber), die ebenfalls von derselben
Kooperative verwaltet wird), Grammichele, Scordia, Palagonia, San Cono, San
Michele di Ganzaria, Mirabella Imbaccari, Licodia Eubea und Raddusa.

Der Bürgermeister der Stadt, der den ganzen Tag mit dem Umbauprojekt
der Altstadt Cunzaria beschäftigt war, hat mir sofort die Möglichkeit gegeben,
die Einrichtung zu besuchen und deren Mitarbeiter kennenzulernen. An diesem
Projekt haben auch eine Frau aus Somalia und drei Frauen aus Eritrea aus der Einrichtung,
eine von ihnen mit einem Kind von 3 Jahren, teilgenommen.

Um 12.30 Uhr komme ich vor der Einrichtung an. Mir fällt
sofort ein kleiner Spielplatz für Kinder vor einem Wohnanwesen mit drei Etagen
auf. Auf den Balkonen sind neugierige, teils selbstbewusste, teils
zurückhaltende Gesichter von einigen Frauen zu sehen. Der Bürgermeister
erzählt, dass sich die SPRAR-Einrichtung von Vizzini von anderen unterscheidet, da sie seit einem
Jahr gemeinsam mit derjenigen von Palagonia eine Abteilung hat, die sich auf Personen mit psychischen Erkrankungen
spezialisiert hat. Vizzini beherbergt zwei Männer, die an postraumatischen
Belastungsstörungen leiden. Diese sind auf die schwierigen Lebensbedingungen im
Herkunftsland und auf die von ihnen erlittenen Schwierigkeiten bei der Anreise
zurückzuführen. Jeder von ihnen hat ein
eigenes Zimmer in der ersten Etage der Einrichtung. Dort werden sie von einem
Psychologen und der Sozialarbeiterin, Letteria, betreut. Ich spreche mit ihr.
Sie erklärt mir, dass die Einrichtung Vizzini von dem etnopsychiatrischen Zentrum
von Catania seit einiger Zeit unterstützt wird. Einer der beiden kommt aus
Senegal und ist 37 Jahre alt. Er lebt seit 3 Jahren in Italien, hat aber noch keine Dokumente seitens der örtlichen Behörde
erhalten. Er erzählt, dass er zu seinem Bruder nach Frankreich reisen möchte
und dass er zur Zeit ein Berufspraktikum bei der Straßen-Instandhaltung absolviere.

Ich gehe in die erste Etage. Die Koordinatorin der
Einrichtung, Chiara Costantino, erzählt
mir, dass dort die Frauen mit ihren Kindern leben, die zu dem normalen SPRAR-Projekt
zählen. Ich werde von neugierigen Kinderaugen empfangen, die sich hinter einer
Tür verstecken und von anderen, die sich mit mutig mit einem Auto in der Hand
nähern. Auf die Frage hin, wo die Ehemänner sind, gibt Chiara zu verstehen,
dass einige allein gereist sind, verlassen worden sind oder in den schlimmsten
aber nicht seltenen Fällen Opfer von Gewalt geworden sind. Ich betrete einige
Zimmer, den Essenssaal und ein Gemeinschaftsbad. Jede Mutter lebt mit dem eigenen
Kind in einem Zimmer. Die Zimmer sind sauber, hell und belüftet. Das gleiche Bild ergibt sich mir auf der
letzten Etage, die für die außerordentliche Aufnahme zur Zeit von 10 Personen
bestimmt ist. Aktuell beträgt die Gästezahl 25 Personen mit einer maximalen
Kapazität im Notfall von 35 Personen.

Chiara erklärt mir, dass alle Kinder je nach Alter in die
Schule eingegliedert werden. Sie erzählt
mir auch, dass viele Frauen ein Berufspraktikum absolvieren und dabei sind eine
Urkunde über die Alphabetisierung in der italienischen Sprache zu erhalten. Das
grundlegende Problem ist jedoch die langsame Zustellung der Dokumente. „Die
Polizeipräsidien sind zum Erliegen gekommen” sagen einstimmig Chiara und
Letteria. „Die Wartezeit beträgt mindestens 1 Jahr und die Situation bessert sich nicht”. Als
Beispiel sind die seit 2005 in Italien lebende Frau aus Nigeria und eine aus
Somalia, die auf ihre Dokumente seit mehr als einem Jahr warten und ihre Kinder
in der Einrichtung groß zu ziehen, genannt.

Ich kann heute sagen, dass ich ein effizientes
Aufnahmemodell kennengelernt habe. Ich habe mit kompetenten Personen
gesprochen, die teils versuchen, das Leid angesichts der ermüdenden Wartens auf
die Dokumente, die Bürokratie wird mehr und mehr zu einer Mauer, zu mildern.

Beatrice Gornati

Borderline
Sicilia

Aus
dem Italienischen von Thanh Lan Nguyen-Gatti