Trapani: Hautpstadt der “Aufnahme”zentren

Die Provinz Trapani ist charakterisiert durch
eine massive Präsenz von Aufnahmezentren: CARA (für Asylsuchende), CIE
(Abschiebungshaft) und SPRAR (für Flüchtlinge und Asylsuchende, die integriert
werden sollen). Es fehlt wirklich an Nichts, so wurde in diesem Monat auch eine
so genannten „Brückeneinrichtung“ in einem Schulturnhalle in der Nähe des
trapanesischen Hafens eröffnet.

Unser Tag in Trapani begann sehr früh: wir waren
zuerst in Alcamo, wo am 5. August das ehemalige Miramare – Hotel in ein SPRAR
umgewandelt wurde (betrieben durch die Kooperative Etica, die zum
Solidalia-Verbund gehört). In diesem alten Hotel sind 25 junge Erwachsene
zwischen 18 und 25 Jahren untergebracht (Nigerianer, Liberianer und Malier),
die am 2. und 3. August in Lampedusa angekommen waren.

Die jungen Migranten hatten sehr klare
Vorstellungen von ihrer „Reise“, bevor sie in Italien ankamen, doch kaum hatten
sie italienischen Boden betreten wurde ihnen klar, dass die italienischen und
europäischen Gesetze ihnen einen Strich durch die Rechnung machen würden. Nun
warten sie auf eine Aufenthaltsgenehmigung, um die Integrationsmaßnahmen im SPRAR-Projekt
beginnen zu können (die Mitarbeiter haben irgendwoher Tafeln besorgt, um mit
dem Italienischunterricht beginnen zu können. Einer der Mitarbeiter sagt uns,
dass die Grenze zwischen einem guten und einem schlechten Projekt von der
Professionalität der Mediatoren abhänge, und dass es aus seiner Erfahrung vor
allem in den CARA und den CIE sehr wenig Professionalität gebe.)

Die Mahlzeiten werden von Siciliana Pasti
gestellt (diese beliefert auch die andern SPRAR-Zentren sowie das CARA von
Salinagrande), derzeit sind die „Gäste“ zufrieden, sei es mit dem Essen, sei es
mit der Unterkunft.

Nach unserem Besuch in Alcamo sind wir zur
Abschiebungshaft nach Milo gefahren, wo wir einen Mitarbeiter der Kooperative
OASI mit Sitz in Syrakus getroffen haben, die diese Verwaltungshaft leitet.

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Abschiebungshaft Milo

Derzeit ist die Zahl der inhaftierten Migranten
auf etwa 80 gesunken, die Fluchtversuche gehen unvermindert weiter (ebenso wie
die Schläge durch die Ordnungskräfte).

In Milo gibt es Probleme vieler Art, alle
beschweren sich, vor allem die Mitarbeiter, die seit mehr als zwei Monaten
keinen Lohn mehr erhalten haben; das Wachpersonal, die Ärzte, die Anwälte…nur
die Migranten können sich nicht beschweren.

Der Mitarbeiter, den wir getroffen haben,
berichtete uns, dass die Kooperative OASI (die die Ausschreibung aufgrund des
niedrigen Satzes gewonnen hat) Probleme auf vielen Ebenen hat. So zum Beispiel
bei der Nahrungsversorgung: er berichtete, dass der Betreiber drei Mal den
Anbieter gewechselt habe, der die Mahlzeiten stellt. Die jetzige Firma werde
stark von den Migranten kritisiert, die oftmals aufgrund der schlechten
Qualität und der Art der Nahrung, die ihnen vorgesetzt wird, gar nichts essen.

Wir können uns gut vorstellen, dass es nicht
einfach ist, unter diesen Bedingungen zu arbeiten, wenn man nicht einmal weiß,
ob man seinen Lohn am Ende des Monats erhält, genauer gesagt, ob man ihn
überhaupt erhält für die Arbeit, die man geleistet hat…Wer darunter leidet sind
die Migranten, die sich mit einer hygienischen nicht vertretbaren Situation
herumschlagen müssen.

Nach Aussage des Mitarbeiters ist das „Projekt
Abschiebungshaft“ gescheitert, ein Sieb in dem die, die es nicht schaffen zu
flüchten Schläge und Misshandlungen ertragen müssen (oftmals durch
Einsatztruppen, die ad hoc aus Palermo
geholt werden) oder Psychopharmaka (ein sehr großer Verbrauch wird uns
bestätigt) unter der Mittäterschaft der Ärzte bekommen. Und wir geben hier gern
die Worte derer wider, die die blauen Flecken und anderes gesehen haben: die,
die da von draußen kommen, die nicht aus Trapani sind, gehen rein und begehen
Unmenschliches, eine unglaubliche Gewalt.

Wir konnten auch feststellen, – und das macht uns besonders traurig – dass es
Anwälte gibt, die Komplizen dieses Systems sind, die ihre Arbeit nicht gut
machen und die Mitwisser dieses Systems des Betreibers und der Behörden sind,
und somit werden aus den Prügeln oftmals kleine Unfälle, die man nicht zur
Anzeige bringen muss. Oder aber sie bemühen sich gar nicht, die nötige
Dokumentation zu erhalten, um den eigenen Klienten zu helfen. Oftmals haben sie sie noch nie
gesehen, und wenn diese Dokumentation dann an von Vereinigungen erstellt wird
verschwindet sie einfach im Nichts! Natürlich kennen wir auch andere Anwälte,
die sich mit sehr viel Leidenschaft für die Migranten in die Arbeit stürzen und
wir möchten genau diese hier hervorheben, um sie von den „faulen Äpfeln“ zu
trennen.

Eine weitere traurige Sache ist, dass sich nach
Aussagen unseres Freundes mindestens ein Minderjähriger in Milo befindet (die
Behörden prüfen das).

Natürlich mussten wir auch dem CARA einen Besuch
abstatten, wo die Situation recht ruhig erscheint, wo aber auch überall Betten
stehen. Die Turnhalle ist erneut zu einem Matratzenlager geworden, die auf dem
Boden liegen, die Zimmer sind völlig überfüllt.

Mehr als 300 Migranten sind derzeit anwesend
(bei einer maximalen Kapazität von ca. 260 Plätzen), unter ihnen mindestens 20
Frauen und eine Familie mit zwei kleinen Kindern (es ist überflüssig zu
betonen, dass dies kein geeigneter Ort für eine Familie ist). Die I-Tüpfelchen
in dieser paradoxen italienischen Situation ist jedoch die Anwesenheit von zwei
schwangeren Frauen.

Wir konnten einige Worte mit Migranten wechseln,
die auf den Autobus nach Trapani warteten und wir konnten die Solidarität der
Migranten untereinander sehen, als das einzige öffentliche Verkehrsmittel in
die Stadt hielt, ein Ruf, ein Pfeifen, und aus dem Inneren des Zentrums gab es
einen wahren Wettbewerb unter den Bewohnern, die Möglichkeit, sich ein wenig
auszutoben, nutzend, denn im Moment gibt es als einzige Freizeitbeschäftigung
im Zentrum einen Italienischkurs, drei Stunden in der Woche.

Wir haben den Tag am Hafen von Trapani beendet,
wo die Präfektur in den ersten Augusttagen die Turnhalle einer Schule in der
Nähe des Fischereihafens erneut

Zur Verfügung gestellt hat.

Eine erste Gruppe von Migranten verbrachte 10
Tage in der Turnhalle, bevor sie in andere Zentren verlegt wurde. Seit drei
Tagen befinden sich 100 Migranten aus Gambia, Nigeria, Ghana, Pakistan und auch
zwei junge Männer aus Tunesien in der Halle. Die Innentemperatur ist sehr hoch.
Die Migranten erhalten drei Mahlzeiten am Tag (Frühstück, Mittag- und
Abendessen) und dürfen die Halle nur zweimal am Tag für eine halbe Stunde verlassen.
Die Ordnungskräfte begleiten sie nur zur Mole, wenn kein Betrieb im Hafen ist,
damit sie nicht zu sehr auffallen!

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Palestra nei pressi del porto
di Trapani

Wir haben feststellen können, dass noch niemand
über die Aufnahme in Italien informiert worden ist (es gab nur eine Broschüre
des Roten Kreuzes über die persönliche Hygiene und wie man sich die Hände zu
waschen habe!!!) und viele der Migranten fühlten sich fremd hier. Das würde
sicher jedem so gehen, der tagelang auf einer Matratze herumliegen muss, ohne
irgendetwas zu tun zu haben, ohne ein Buch zum Lesen, einfach gar nichts, nicht
mal die grundlegendsten Informationen erhalten sie!

Mindestens zehn der jungen Männer sagten, dass
sie minderjährig seien (wir haben nach ihrem Alter gefragt, weil sie so jung
aussahen), 16 bis 17 Jahre alt…Doch die Ordnungskräfte sagten uns, dass man bei
allen den Handwurzelknochen geröntgt habe, um das Alter festzustellen (diese
Technik ist nicht sicher, im Gegenteil lässt sie immer Zweifel offen).

Ungewöhnlich ist – und wir haben Save the
Children darüber informiert -, dass die Polizei einigen der Jugendliche bei der
Ankunft die Papiere weggenommen hat, die sie bei sich hatten. Es gab natürlich
kein gesundheitliches Screening. Einer der Jugendlichen hatte ein komplett
aufgeschwollenes Gesicht, wie ein Ball, wahrscheinlich aufgrund eines
Zahnproblems. Doch es wurde ihm nur ein Schmerzmittel von einem Carabiniere
gegeben – nachdem wir nachgefragt hatten.

Dass die Situation besorgniserregend ist haben
wir auch durch die Worte eines Polizisten verstanden (der sich wirklich sehr
bemüht, ‚aber es gibt so viele Schwierigkeiten, die eigene Arbeit zu tun, da
unsere Politiker so unfähig sind, das Problem richtig anzugehen‘), der in der
Schule, die diese Haft leitet, arbeitet. Auch sie haben die Sorge, dass ihre
Arbeit nicht bezahlt wird: „Es gibt keine Gelder für Überstunden und ich bin
schon seit dem 5. August hier, während der Staat so viel Geld für die Migranten
ausgibt“, und die Leute seien bereit, so der Polizist, alles was sie haben mit
den Zähnen zu verteidigen, um sich z.B. nicht das Fahrrad, nur ein Beispiel, klauen zu lassen…irgendwann
werde es Tote geben…

Alberto Biondo

Borderline Sicilia Onlus

Aus dem Italienischen von Judith Gleitze