Unter Strafe gestellt: Erste Verurteilungen des Gerichts von Ragusa wegen Beleidigungen von Migrant*innen in sozialen Medien

Artikel vom 6. Oktober 2022

Vita.it – „Erst ins Krankenhaus und dann in den Knast“, so lautet einer der Beschimpfungen, die auf Facebook im September 2014 als Antwort auf eine Nachrichtenschlagzeile in Bezug auf eine Gruppe Tunesier*innen erschienen war.

Der Verein Borderline Sicilia stellte dagegen eine Strafanzeige. Wenngleich es bis heute an einer nationalen Verordnung zum digitalen Umgang mangelt, wurde nun seitens der Rechtsprechung ein historisches Urteil gefällt.

Das Gericht in Ragusa setzt damit ein Zeichen gegen die steigende Anzahl an Fällen rassistischer Hassäußerungen in sozialen Medien. Im Konkreten wurden drei Personen, worunter sich ein ehemaliges Mitglied des Stadtrats von Modica befand, wegen Anstiftung zu Straftaten gemäß Artikel 414 des italienischen Strafgesetzbuchs verurteilt. Die Anklage bezog sich auf die rassistischen Kommentare, welche die Angeklagten auf Facebook in Bezug auf eine Online-Nachrichtenmeldung gepostet hatten. In der Schlagzeile ging es um eine Auseinandersetzung zwischen einer Gruppe Italiener*innen und einer Gruppe tunesischer Migrant*innen in Modica im September 2014.

Im Oktober desselben Jahres war vom Verein Borderline Sicilia, der sich seit ca. 15 Jahren für die Wahrung der Menschenrechte von Migrant*innen einsetzt, eine Anzeige gestellt worden. Der Verein äußerte sich dazu wie folgt: „Wir warten darauf, die Urteilsbegründung lesen zu können. Das Urteil an sich sendet jedoch bereits ein Warnsignal an User*innen sozialer Netzwerke und insbesondere auch an diejenigen, die eine institutionelle Rolle innehaben. Es setzt ein deutliches Zeichen im Kampf gegen jegliche Form von Diskriminierung und Rassismus. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass derartige Vorfälle angezeigt werden müssen, denn es handelt sich um Verbrechen, die auf ein xenophobes Motiv zurückzuführen sind. Es sind Verbrechen, die in einem kulturellen Kontext entstehen, in dem rassistisches Gedankengut sogar mit vermeintlicher Meinungsfreiheit verwechselt wird. Seit 2014 hat sich diese Lage leider stets verschlimmert“, so Judith Gleitze, Leiterin des Vereins Borderline Sicilia.

Die Sätze, die auf Facebook veröffentlich worden waren und nun von den Richter*innen in Ragusa geprüft werden, unterscheiden sich kaum von denjenigen, die seit Jahren und immer häufiger auf Pinnwänden von Vereinen oder Informationsseiten stehen. „Wieso bringt ihr sie nicht erst für 6 Monate ins Krankenhaus und dann in den Knast?“, oder [im Original im sizilianischen Dialekt]: „Wenn ihr Bescheid sagt, bin ich dabei und mache hier richtig sauber“, „Es braucht eine gründliche Desinfektion“, und weiter „Ich schließe mich dem Gruppenf… an. Ich liebe es zu säubern und zu bestrafen“. Der Verfasser des letzten Satzes richtete sich daraufhin an die Polizei: „An die Polizei: Bevor ihr sie festhaltet, setzt sie in einen Kinderwagen und danach werden sie selbst drinnen oder lieber noch in ihrem eigenen Haus bleiben wollen.“ Darauf folgte ein weiterer Schwall an Beleidigungen.

Da es nach wie vor keine Verordnung gibt, die speziell den Umgang in den Sozialen Medien regelt, musste also ein regionales Gericht eingreifen, nachdem eine zivile Hilfsorganisation eine Anzeige gestellt hatte, um die Aufmerksamkeit auf das digitale Zusammenleben zu lenken und, um diejenigen unter Strafe zu stellen, die – und es werden immer mehr – auf sozialen Medien Hassreden dazu benutzen, sich gegen Migrant*innen aufzulehnen.

 

Alessandro Puglia

 

Aus dem Italienischen übersetzt von Romina Willer